Als Federle ihre Karriere 1992 begann, unterzeichneten zwölf EG-Länder den Vertrag von Maastricht, der das Entstehen der Europäischen Union einläutete. "Tatsächlich war es damals ein echter Wettbewerbsvorteil, sein Büro in Brüssel zu haben", erinnert sich Federle. "Das EU-Recht und Informationen über geplante oder in Vorbereitung befindliche EU-Gesetzgebung waren damals nicht online zugänglich."
Die Brüsseler Anwälte agierten deswegen auch als eine Art Informationsbüro für ihre deutschen Kollegen. Federle erzählt, dass Mitarbeiter täglich das Amtsblatt aus der Bibliothek holten, es kopierten und in Karteikästen einsortierten. "Rief ein deutscher Kollege an und fragte nach dem Stand eines speziellen Richtlinienvorhabens, ging ich zu diesem riesigen Karteikasten und suchte die Information für ihn heraus."
Diese Arbeit vermisst sie nicht - zu langweilig. Spannender fand sie die Internationalisierung des Geschäfts und die Verschiebung der Rechtsfragen. Das Kartellrecht war damals noch kein Thema, denn der Binnenmarkt entstand gerade erst. "Daher beschäftigte ich mich damals etwa viel mit Fragen der Warenverkehrsfreiheit", sagt die Bird & Bird-Partnerin. Heute berät sie ihre internationalen Mandanten dagegen ausschließlich in kartellrechtlichen Fragen.
EU-Erweiterung bringt Farbe in den Brüsseler Alltag
Dr. Ulrich Soltész betreut – wie auch Federle und Cappellari - multinationale Unternehmen aus verschiedenen Ländern. "Obwohl wir eine deutsche Kanzlei sind, arbeiten wir ganz überwiegend an internationalen Fällen", sagt der Gleiss-Lutz-Partner. Seine Mandate haben zwar häufig einen Deutschlandbezug, aber die Mandanten kommen aus den USA, Japan oder Frankreich.
Auch Soltész arbeitet seit fast 20 Jahren in Brüssel, er stieg 1997 bei Gleiss Lutz ein. Die Kanzlei war übrigens die erste deutsche Sozietät, die in Brüssel ein Büro eröffnete - im Jahr 1962. "Die Europäische Union hat sich in den letzten Jahren extrem verändert. Als ich herkam, gab es 15 Mitgliedsstaaten, heute sind es 28", erzählt der Anwalt. "Das hat das Leben in Brüssel sehr viel bunter gemacht." Und die Arbeit sehr viel anspruchsvoller.
Kommission arbeitet immer professioneller
Der Kartellrechtler Soltész beobachtet eine zunehmende Professionalisierung der EU-Kommission. Die Mitarbeiter vermeiden heute viele Fehler, die in der Vergangenheit bisweilen zu Aufhebungen von Entscheidungen geführt haben. Die Verfahren werden größer und umfangreicher, der Aufwand nimmt dementsprechend zu. Auch für die Anwälte.
"Die Verfahren sind aufwändiger geworden, auch wegen der wachsenden Bedeutung der ökonomischen Analyse", erzählt der Gleiss Lutz-Partner. "Früher hat die Anmeldung eines einfachen Zusammenschlussvorhabens gerade einmal 20 Seiten gezählt. Heute umfasst sie häufig zwischen 100 und 200 Seiten – ohne Anlagen."
Die Professionalisierung der Verwaltungsvorgänge führte nicht nur zu Papierbergen, sondern verändert auch das Verhalten der Mitarbeiter spürbar. "Die Kommissionsmitarbeiter haben gelernt, besser mit den Verteidigungsstrategien der Anwälte umzugehen", sagt dazu Soltész. "Das macht unsere Arbeit nicht immer einfacher", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.
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