Anwaltsberuf: "Team­arbeit ist oft nur ein Mythos"

Interview von Dr. Anja Hall

11.08.2015

2/2: Der Umsatz bestimmt den Status des Partners

LTO: Bei welchen Arten von Kanzleien beobachten Sie dieses Verhalten?

Schön: Eigentlich bei allen. Der Status eines Anwalts in einer Kanzlei wird nun einmal oft von den Umsätzen bestimmt, die er macht. Das gilt sowohl für Lockstep-Kanzleien als auch für solche, die nach anderen Systemen vergüten.

Allerdings zeichnet sich ein Kulturwandel ab. Jüngere Partner sehen durchaus den Mehrwert von Cross-Selling und Teamarbeit, während in der älteren Partnergeneration oft noch jeder für sich kämpft.

LTO: Spielt die Größe der Kanzlei eine Rolle?

Schön: In mittelständischen Kanzleien und in Boutiquen ist der Austausch oft größer, auch weil jeder auf den anderen angewiesen ist. Die Transparenz ist üblicherweise höher als in den Top-20 oder Top-30-Kanzleien, wo man sich durch die schiere Größe und die vielen Standorte eher aus dem Blick verliert. Dort gibt es tendenziell mehr Eigenkämpfer als Teamplayer.

"Manchmal muss man seinen Weg auch alleine gehen"

LTO: Wie wird man denn zum Teamplayer?

Schön: Das ist zunächst einmal eine Haltungsfrage. Es kostet mehr Zeit, andere ins Boot zu holen und eventuell auch Konflikte auszutragen. Allerdings bringt es einen Mehrwert, nicht nur finanziell für die Kanzlei, sondern auch für einen selbst, weil man eine Rückmeldung zu seiner Arbeit erhält.

Wer seine Teamfähigkeit ausbauen will, sollte sich überlegen, wo ein Austausch mit anderen fruchtbar sein kann. Er sollte offen sein gegenüber anderen, Kontakte suchen, Fragen stellen, Unterstützung anbieten. Im Grunde geht es darum, die Kollegen und ihren Input wertzuschätzen.

Dazu gehört aber natürlich auch, dass man sich in einem Team nicht ausnutzen lassen soll, etwa indem man immer derjenige ist, der das Protokoll schreibt oder den Kaffee holt.

LTO: Gibt es auch Situationen, in denen man die Ellbogen ausfahren sollte?

Schön: Manchmal muss man seinen Weg auch alleine gehen. Beispielsweise wenn ein Kollege im selben Bereich arbeitet und es offensichtlich ist, dass nur einer Partner werden kann, weil der Business Case nicht für beide reicht. Dann wäre es unklug, mit dem anderen ein Team zu bilden, weil einer von beiden auf der Strecke bleiben wird. Auch wenn man sich beispielsweise gegenüber bestimmten Partnern in der Kanzlei als Experte für einen Bereich empfehlen will, sollte man sich entsprechend positionieren und nicht im Team verstecken.

Carmen Schön berät Anwälte und Partner von Wirtschaftskanzleien bei Karrierefragen, außerdem begleitet sie Unternehmen, Wirtschaftskanzleien und Beratungsgesellschaften bei Fragen zur strategischen Ausrichtung. Die Juristin ist auch Autorin mehrerer Bücher, unter anderem von "Traumjob Rechtsanwalt in einer internationalen Wirtschaftskanzlei".

Zitiervorschlag

Anja Hall, Anwaltsberuf: . In: Legal Tribune Online, 11.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16558 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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