Interview mit Werder Bremens Justiziar: "Wir hatten die Zweite Liga immer im Blick"

Interview von Hasso Suliak

11.07.2020

Mit Ach und Krach hat Werder Bremen den Klassenerhalt geschafft. Für Justiziar Henning Hofmann verliefen die vergangenen Wochen nicht nur wegen des drohenden Abstiegs unter verschärften Bedingungen – das Worst-Case-Szenario immer vor Augen.

LTO: Herr Dr. Hofmann, erst seit Montagabend steht die Gewissheit, dass Werder Bremen auch in der nächsten Saison erstklassig spielt. Wie sehr hat das Hoffen und Bangen der vergangenen Wochen ihre juristische Arbeit geprägt?

Dr. Henning Hofmann: Es war eine sehr intensive Zeit. Zum drohenden Abstieg kam ja auch noch die Coronakrise hinzu. Mit dem Zweitliga-Szenario haben wir uns ehrlich gesagt schon frühzeitig befasst und entsprechende Vorkehrungen getroffen. So enthielten bzw. enthalten die Spielerverträge Klauseln auch für den Abstiegsfall. Insoweit mussten wir hier nichts weiter vorbereiten oder uns auf Nachverhandlungen einstellen.

Arbeit hat eher der Umstand verursacht, dass diverse Verträge bereits am 30. Juni endeten, wir aber noch Anfang Juli die Relegationsspiele bestreiten mussten.

Was haben Sie da unternommen? Das Stichwort "ergänzende Vertragsauslegung" war in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören.

Nein, wir wollten da nichts anbrennen lassen und haben bei den acht Spielern, die es betraf, schriftliche Ergänzungen des Arbeitsvertrages vereinbart. Die Verträge wurden bis zum Tag des Rückspiels der Relegation verlängert. Das betraf übrigens auch die Leihverträge der vier von anderen Vereinen entliehenen Spielern. Hier mussten wir dann auch das Einvernehmen mit dem entleihenden Verein sichern. Bei der Registrierung der entsprechenden Spieler hat uns dann die DFL mit ihrem Know-How unterstützt.

Klingt nach viel Arbeitsaufwand für eine gerade einmal um sechs Tage verlängerte Spielzeit. Da werden sich viele Fans fragen, ob die Spieler auf dieses Teilgehalt nicht hätten verzichten können.

(c) Werder BremenNaja, es gibt da noch ein anderes Problem: Ohne gültigen Arbeitsvertrag gibt es keine Spielberechtigung von der DFL und auch Versicherungsfragen wären dann ungeklärt gewesen. Die Leihspieler wären formal zu dem Leihclub zurückgekehrt. Schon allein deshalb mussten wir da vertragsrechtlich ran. Und was den Gehaltsverzicht anbelangt: Die Spieler sind dem Verein schon zu Beginn der Coronakrise aus freien Stücken entgegengekommen und haben auf Teile ihres Gehalts verzichtet.

"Normalzustand pendelt sich langsam wieder ein"

In den Medien hieß es, dass die Spieler "nur" zu einem Verzicht in Höhe von 2,5 Prozent ihres Bruttojahresgehaltes bereit gewesen seien. Ex-Werder Manager Willi Lemke hat das seinerzeit heftig kritisiert. Wie stehen Sie dazu?

Ich möchte diese Zahlen nicht kommentieren. Richtig ist, dass die Coronakrise uns wie auch andere Vereine finanziell vor große Herausforderungen stellt. Etliche Mitarbeiter der Geschäftsstelle mussten in Kurzarbeit. Aber seit dem 1. Juli pendelt sich langsam der Normalzustand auf unserer Geschäftsstelle wieder ein.

Nicht im Normalzustand wird die kommende Saison – voraussichtlich irgendwann im September – starten. Ob, wann und in welchem Umfang Zuschauer ins Stadion gelassen werden, ist weiter offen. Wie wirkt sich das auf Ihre Sponsoring-Verträge aus? Müssen Sie die nicht dauernd anpassen?

Seit klar war, dass der Spielbetrieb wegen COVID-19 zunächst ausgesetzt und dann nur im Geisterspiel-Modus fortgeführt werden wird, mussten wir eine Vielzahl Gespräche mit unseren rund 150 Partnern führen und durchaus auch in die ein oder andere zähe Verhandlung eintreten. Der Verein konnte einigen Partnern entgegenkommen und die Vertragsinhalte wegen der besonderen Bedingungen abändern.

Haben Sie ein Beispiel?

In unserem Stadion gibt es Bandenwerbung, z.B. am Oberrang, die nicht im Fernsehen zu sehen ist, sondern darauf abzielt, von den rund 42.000 Zuschauern in der Arena wahrgenommen zu werden. In Zeiten von Geisterspielen fällt da natürlich jeglicher Werbeeffekt aus. Hier sind wir dann kreativ geworden und sind den betreffenden Unternehmen mit einer zweiten LED-Bande am Spielfeldrand entgegengekommen.

Aber nicht nur wegen Corona: Auch im Hinblick auf den drohenden Abstieg in die Zweite Liga mussten wir zahlreiche Gespräche mit Sponsoren führen und über neue Lösungen nachdenken. Werder Bremen generiert knapp 20 Prozent des Umsatzes mit Sponsoring-Einnahmen. Bei einem Abstieg hätten wir hier sicher Abstriche zu verzeichnen gehabt. Zum Glück ist das jetzt vom Tisch.

"Losverfahren unter den Dauerkarteninhabern am fairsten"

Allein die finanziellen Ausfälle des Vereins wegen der ausbleibenden Zuschauer belaufen sich auf etwa sieben bis acht Millionen Euro. Wie gehen Sie es juristisch an, wenn demnächst vielleicht ein bestimmter Bruchteil von Fans im Stadion wieder zugelassen ist, aber eben nicht alle? Vermutlich werden wohl erst einmal die VIP-Bereiche wieder geöffnet, oder?

Nun, derzeit bereitet uns auch diese Frage eine Menge Arbeit. Noch liegt den Vereinen ja kein präzises Konzept vor, das es umzusetzen gilt. Aber klar ist, dass wir bereits angefangen haben, uns auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Wir müssen unsere Stadionordnung vermutlich an verbindliche Hygieneregeln anpassen und auch unsere Allgemeinen Ticketbedingungen überarbeiten.

Sollte nur eine bestimmte Anzahl von Zuschauern ins Stadion dürfen, ist ein Losverfahren unter den Dauerkarteninhaberinnen und -inhabern sicher am fairsten. Bei den Fragen rund um das Ticketing unterstützt uns auch eine externe Anwaltskanzlei.

Die Spieler von Werder Bremen haben sich in ihren Urlaub verabschiedet - wann darf denn der Justiziar ausspannen? Mitte Juli geht doch schon wieder die Transferperiode los, dann müssen Sie doch sicher wieder Spielerverträge prüfen.

Also mit meinem Kollegen Tarek Brauer sind wir ja zum Glück zwei im Verein, die rechtsberatend tätig sind. Unabhängig davon, habe ich für mich entschieden, in den kommenden Wochen verfügbar zu sein und gehe daher erst im Oktober im Urlaub. Im Übrigen rechne ich nicht mehr mit vielen Spielerverträgen, die es zu prüfen gilt. Die sportlichen Verantwortlichen sind mit ihren Planungen schon weit fortgeschritten und große Transfer-Sprünge können sich aktuell nur sehr wenige Vereine leisten. Aber bekanntlich weiß man im Fußball ja nie genau, was noch passieren kann.

"Keine betriebsbedingten Kündigungen"

Sie haben das Relegationsrückspiel mit einigen der rund 180 fest angestellten Werder-Mitarbeiter auf Videoleinwand im Stadion verfolgt. Wenn es schiefgegangen wäre, hätten Sie dann ihren Job verloren? Bei den Vereinen der Zweiten Liga ist eine eigene Rechtsabteilung eher die Ausnahme…

Die Vereinsführung hat von Anfang an Signale gesetzt, dass trotz Corona und möglichem Abstieg keine betriebsbedingten Kündigungen erfolgen sollen. Ich persönlich habe mir da auch nicht allzu viele Sorgen gemacht – auch in der Annahme, dass in der Zweiten Liga der rechtliche Beratungsbedarf weiterbesteht.

Rechtsanwalt Dr. Henning Hofmann studierte in Passau Jura. Seine Promotion entstand im Rahmen seiner Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht der Universität Passau sowie als wissenschaftlicher Koordinator des DFG-Graduiertenkollegs 168/1 "Privatheit". Seine Forschungsschwerpunkte lagen neben dem Polizeirecht im Datenschutz- und Sportrecht. Seit dem 1. Januar 2019 ist er Justiziar des Bundesligisten SV Werder Bremen.

Zitiervorschlag

Interview mit Werder Bremens Justiziar: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42175 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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