Umstritten, aber prestigeträchtig und lukrativ: Politiknahe Beratung ist für viele Kanzleien ein wichtiges Arbeitsfeld. David Issmer, neuer Head of Public Affairs bei Freshfields, sprach mit LTO über seinen Arbeitsalltag.
LTO: Sie hatten gerade Ihren Schreibtisch im Berliner Freshfields-Büro zurechtgerückt und den Bürostuhl eingestellt, da votierte Großbritanniens Bevölkerung für den Brexit. Ein guter Einstieg beim neuen Arbeitgeber?
David Issmer: Tatsächlich waren die ersten Tage nach dem Votum äußerst turbulent. Auf der einen Seite riefen die Mandanten im Minutentakt an und wollten wissen, was das für sie und ihre Unternehmen bedeuten könnte. Auf der anderen Seite war die Politik daran interessiert, wie die Unternehmen reagieren. Insofern steckte ich sofort mittendrin im Tagesgeschäft.
LTO: Woraus besteht Ihr Tagesgeschäft konkret?
Issmer: Meine Hauptaufgabe ist die Begleitung der Gesetzgebung. Das bedeutet, dass ich die Gesetzgebungsverfahren auf Länder- und Bundesebene genau beobachte. Diese Informationen bereite ich auf, etwa in Analysen und Berichten, die dann Kanzlei-Kollegen oder Mandanten zur Verfügung gestellt werden. Ein kleinerer Teil meiner Arbeit besteht aus dem, was als klassisches Lobbying bezeichnet wird, also dem Einbringen von Mandanteninteressen bei politischen Organen im Rahmen der geltenden Gesetze.
Verrauchte Hinterzimmer sind passé
LTO: Warum betonen Sie, dass Sie Ihre Arbeit gesetzeskonform erledigen? Sollte das nicht selbstverständlich sein?
Issmer: Das ist es natürlich, doch in manchen Teilen der Bevölkerung herrscht die Meinung vor, dass Lobbyismus anrüchig sei. Manche Menschen haben das Bild verrauchter Hinterzimmer vor Augen, in denen undurchsichtige Deals verabschiedet werden. Wir unterliegen den strengen Regeln der Bundesrechtsanwaltsordnung und arbeiten transparent.
LTO: Woher rührt Ihrer Meinung nach die Kritik am Lobbyismus?
Issmer: Es gab in der Vergangenheit Beispiele einzelner Schwarzer Schafe, die zum negativen Image der Branche beigetragen haben. Hinzu kamen Krisen, wie die Finanzkrise oder zuletzt die Affäre um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, die das noch verstärkt haben. Deutschland hat in dieser Beziehung allerdings eine Sonderstellung, denn in kaum einem anderen Land wird Lobbyismus derart negativ gesehen. Das liegt vor allem an der kritischen Öffentlichkeit.
LTO: Inwieweit ist der Lobbyismus der 1950er Jahre mit dem heutigen vergleichbar?
Issmer: Die Art und Weise, Interessen von Unternehmen zu vertreten, hat sich grundlegend gewandelt. Heutzutage wird Transparenz großgeschrieben und immer weiter vorangetrieben, während es weniger der oft als 'Hinterzimmertreffen' bezeichneten, nicht-öffentlichen Veranstaltungen gibt. Das gefällt mir persönlich sehr gut. Freshfields beispielsweise nennt die Namen seiner Mandanten, wenn es um die Kommunikation mit der Politik geht. So wissen die Politiker, wessen Interesse wir vertreten.
Wer schreibt die Gesetze?
LTO: Sie meinen dann, wenn Sie sich in Gesetzgebungsprozesse einschalten?
Issmer: Ja, wobei der Begriff 'einschalten' irreführend ist. Wir sehen es so, dass wir unser Spezialwissen einbringen. Denn die Beamten in den Ministerien wissen sehr viel, aber naturgemäß nicht alles. Also holen sie sich externes Expertenwissen ein und hören die verschiedenen Interessen an. Die Informationsbringer sind Kanzleien wie Freshfields, Industrieverbände, Nicht-Regierungs-Organisationen oder Lobbyagenturen.
LTO: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Kanzleien würden an Gesetzen mitschreiben?
Issmer: In einem Gesetzestext wiegt jedes einzelne Wort schwer. Mitunter können Formulierungen Auswirkungen haben, die die Politiker gar nicht beabsichtigen, geschweige denn voraussehen können. Hier kommen die Juristen ins Spiel, die wissen, welches Wort wie gebraucht beziehungsweise ausgelegt wird. Falls erwünscht, beraten wir Ministerien bei Gesetzesentwürfen.
Wir nehmen also, falls kein Interessenskonflikt besteht, Berateraufträge aus der Politik an. Das ist jedoch nicht zu verwechseln mit einem formellen Einfluss auf die Inhalte der Gesetze. Den kann und darf es auch nicht geben, denn die Gesetze werden schließlich vom Volk gemacht, vertreten durch den Gesetzgeber.
Désirée Balthasar, Kanzleien und Lobbyismus: . In: Legal Tribune Online, 02.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20164 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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