Interprofessionelle Dienstleistungen: Wenn Anwälte und Inge­nieure gemeinsam Pro­b­leme lösen

von Désirée Balthasar

30.05.2016

Zusammenarbeit ja, Zusammenschluss nein

LTO: Was spricht gegen einen festen Zusammenschluss?

Theissen: Allen Projektpartnern war es wichtig, flexibel auf dem Markt zu agieren. Unsere Projektpartner sollen weiterhin frei entscheiden können, welche Anwaltskanzlei sie für die konkrete Rechtsfrage zu Rate ziehen wollen. Gleichzeitig möchten wir uns die Freiheit bewahren, mit dem im Einzelfall besten Partner den technischen Sachverhalt zu klären.

LTO: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Anwälten und Ingenieuren konkret aus?

Theissen: Jeder Projektpartner arbeitet im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Es gibt keinen zentralen Ansprechpartner für das "Projekt Achtundzwanzig". Wird beispielsweise ein Mandant über unsere Webseite auf uns aufmerksam, kann er sich regional und funktionell seinen passenden Ansprechpartner auswählen. Er hat die Möglichkeit, auf technischen oder juristischen Sachverstand zu setzen. Sieht sich dann der juristische Ansprechpartner nicht im Stande, den rein technischen Sachverhalt sachgerecht zu lösen, kann er dem Mandanten einen Ingenieur als Adjudikator empfehlen.

LTO: Welche Qualifikation benötigt ein Adjudikator?

Theissen: Die Adjudikation verspricht eine schnelle und effiziente Lösung von Konflikten auf der Baustelle. Es ist daher unabdingbar, dass der Adjudikator in der Lage ist, komplizierte Sachverhalte für beide Parteien aufzubereiten und sachgerecht zu lösen. Je nachdem, wo der Schwerpunkt des Falles liegt, liegt dieser Sachverstand im technischen oder juristischen Bereich. Erforderlich ist ferner eine hohe Akzeptanz des Adjudikators, die er sich durch langjährige Erfahrungen im Konfliktmanagement erarbeiten muss. Eine gesonderte Fortbildung für Adjudikatoren gibt es in Deutschland nicht.

"Wir sind die Wogen-Glätter"

LTO: Wie geht ein Adjudikator Ihres Projekts konkret vor?

Theissen: Zum Einsatz kommen außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen. Die Adjudikatoren bringen die Parteien frühzeitig an einen Tisch, um kleine Probleme zu lösen, bevor sie zu großen Problemen werden. Dies ist häufig nicht nur eine technische oder rechtliche, sondern eine emotionale Frage. Jedenfalls größere Bauvorhaben können nur funktionieren, solange die Bau- und Planungsbeteiligten an einem Strang ziehen und kooperieren.

Das funktioniert so lange, wie eine konstruktive Gesprächsgrundlage und ein Mindestmaß an Vertrauen gegeben sind. Änderungen während des Bauvorhabens sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Parteien sind also darauf angewiesen, in ständigem Dialog zu bleiben. Wenn sich dann eine Partei überhört fühlt und aufhört, mit den anderen Parteien zu sprechen, entsteht ein Problem. Leider geschieht das überraschend häufig. Wir als Berater übernehmen die Rolle der Wogen-Glätter.

LTO: Das klingt nach psychologischer Taktik.

Theissen: Etwas Psychologie ist sicher auch enthalten. Als Baurechtler kommt man leider oft dann erst ins Spiel, wenn die Stimmung bereits gekippt ist. Dann betrachten wir die Geschehnisse aus der Distanz und versuchen herauszufinden, was Auslöser der Auseinandersetzung war. Die Adjudikation bietet die Möglichkeit, die Parteien wieder zusammenzuführen und gleichzeitig das Bauvorhaben fortzuführen. Das Problem wächst damit erst gar nicht zu einem unlöslichen Hindernis heran, sondern man kann zügig weiterarbeiten.

Dr. Robert Theissen, Managing Partner der Kanzlei Gvw Graf von Westphalen, ist als Fachanwalt für Bau und Architektenrecht in Hamburg tätig. Die interdisziplinäre Plattform Achtundzwanzig wurde im Oktober 2015 gegründet.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Interprofessionelle Dienstleistungen: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19486 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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