Vorschlag aus dem Justizministerium: Fami­li­en­aus­zeit auf der Vor­stand­se­tage

von Dr. Anja Hall

18.02.2021

Das BMJV will es Vorstandsmitgliedern erleichtern, ihr Amt aus familiären Gründen vorübergehend niederzulegen – ohne Haftungsrisiken einzugehen. Einen Rechtsanspruch auf die Auszeit soll es aber nicht geben.

Eine Babypause für die Vorständin, Elternzeit für den Vorstand und für Männer wie Frauen eine Auszeit zur Pflege von Angehörigen oder im Fall einer Krankheit: Die Vorstandsetagen deutscher Unternehmen sollen familienfreundlicher werden. Das will das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) mit einem Änderungsvorschlag zum Gesetzentwurf für das Führungspositionengesetz II (FüPoG II) erreichen, der LTO vorliegt. Entscheidend ist, dass die Vorstandsmitglieder für die Zeit, in der sie ihr Mandat ruhen lassen, von Haftungsrisiken befreit sein sollen.

Dem Papier zufolge soll der Aufsichtsrat die Bestellung eines Vorstandsmitglieds – sofern das Gremium aus mehreren Personen besteht – widerrufen können, wenn die Person wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege von Angehörigen oder Krankheit ihren Vorstandspflichten vorübergehend nicht nachkommen kann. Allerdings muss der Aufsichtsrat eine erneute Bestellung des Vorstandsmitglieds zusichern, d.h. der Vorstand und die Vorständin haben einen Anspruch darauf, nach der Auszeit auf die Position zurückzukehren. Eine vorübergehende Mandatsniederlegung soll im Handelsregister angemeldet werden.

Keine Haftungsrisiken während der Auszeit

Durch den Widerruf der Bestellung und die erneute Bestellung sei das Vorstandsmitglied für die Dauer der Auszeit von allen Pflichten und Haftungsrisiken im Zusammenhang mit seinem Amt befreit, schreibt das BMJV in dem Papier. Damit will das BMJV ein Problem lösen, das Anfang vergangenen Jahres besonders sichtbar geworden war: Damals hatte Delia Lachance ihr Amt als Vorstandsmitglied des börsennotierten E-Commerce-Unternehmens Westwing zur Haftungsvermeidung niedergelegt, weil sie das Amt während ihrer Schwangerschaft nicht mit dem erforderlichen Zeiteinsatz ausüben konnte. 

Daraufhin hat sich u.a. die Initiative "Stayonboard" gegründet, die die Einführung eines "Mandats-Ruhezustands" gefordert hat. Die Arbeitsrechtlerin Daniela Hangarter, ein Gründungsmitglied von Stayonboard, sagte gegenüber LTO, dass sie sich sehr freue, dass es nun einen Entwurf gibt, zumal er auch inhaltlich die Verbindung zum FüPoG II herstelle – "da ja die Auszeit bessere Voraussetzungen für eine bessere Frauenquote schafft". Allerdings würde die Initiative Hangarter zufolge einen Anspruch auf die Auszeit begrüßen, da der Vorschlag sonst zu vage bleibe. 

Ein Vorstandsmitglied ist kein Arbeitnehmer 

Die vorgeschlagene Regelung ist nämlich nicht als gesetzlicher Anspruch auf eine Auszeit ausgestaltet, "weil dies mit der Funktion eines selbstständigen und unternehmerisch handelnden Vorstandsmitglieds nicht vereinbar wäre", so das BMJV. Dr. Thomas Gennert, Arbeitsrechtspartner bei McDermott Will & Emery, sagt gegenüber LTO, ein Anspruch auf Suspendierung des Vorstandsamtes wäre denn auch "ein echtes Novum" gewesen. "Ein solcher Anspruch würde die rechtliche Situation des Vorstandsmitglieds näher an die des Arbeitnehmers rücken. Beide sind jedoch in vielerlei Hinsicht grundlegend unterschiedlich ausgestaltet", so Gennert. Die praktische Erfahrung sei aber, dass Vorstandsmitglied und Aufsichtsrat in der Regel adäquate Lösungen finden.

Vorgesehen ist in dem Papier allerdings, dass der Aufsichtsrat das Gesuch eines Vorstandsmitglieds auch ablehnen kann, etwa wenn durch die vorübergehende Mandatsniederlegung ein Schaden für die Gesellschaft zu erwarten ist. Dies muss er dann schriftlich begründen. In dem Zusammenhang wünscht sich Arbeitsrechtlerin Hangarter eine Konkretisierung: "Es braucht noch eine Klarstellung, dass der Wunsch und die Bewertung, ob man sich an der Pflichterfüllung gehindert fühlt, vom Vorstand ausgehen sollte", sagt sie. Denn wenn das Vorstandsmitglied objektiv unfähig sei seine Pflichten zu erfüllen, gebe es bereits Reaktionsmöglichkeiten.

Der Änderungsvorschlag befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Als nächstes müsste das Bundeskabinett ihn beschließen, damit er den Bundestag erreichen kann.

Zitiervorschlag

Vorschlag aus dem Justizministerium: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44307 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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