Juristenausbildung neu gedacht: Die eierlegende Wollmilchsau

von Désirée Balthasar

25.11.2014

Den perfekten Wirtschaftsrechtler gibt es nicht. Kanzlei-Anwälten fehlen oft betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Unternehmensjuristen mitunter die rechtliche Tiefe in Spezialgebieten. Möglichkeiten, in Unternehmen und Kanzleien beide Seiten der Rechtsberatung kennenzulernen, gibt es kaum. Abhilfe könnte eine duale Ausbildung schaffen: ein Bootcamp für die Juristen der Generation Y?

 

Wolf Kahles, Personalleiter bei Clifford Chance, Markus Hartung, Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession und Dr. Dominik Lentz, ehemaliger Rechtsabteilungsleiter und heutiger Senior Vice President Corporate Division der Fujifilm Europe, wagten am vergangenen Freitag ein Gedankenexperiment. Im Rahmen eines Workshops während der 4. Herbsttagung der Bucerius Law School zum Thema Innovationsmanagement entwarfen sie ein Ausbildungskonzept für Juristen, das diese Probleme lösen soll.

Die Gründe, warum sich Kahles, Lentz und Hartung überhaupt mit der Thematik befassen, sind vielfältig und drängend. Der Bewerbermarkt stellt Kanzleien und Unternehmen gleichermaßen vor große Probleme, insbesondere die viel zitierte Generation Y gibt den Personalern weiterhin  Rätsel auf. Ihr wird nachgesagt, andere Karriereziele zu verfolgen als frühere Anwaltsgenerationen.

Die Partnerschaft in einer Kanzlei ist nicht mehr das ultimative Ziel eines Berufseinsteigers, die Work-Life-Balance sollte ausgeglichen sein, und Familienverträglichkeit ist die Grundvoraussetzung für die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag.

Eine weitere Herausforderung in Kanzleien ist der Kostendruck. Mandanten sind immer weniger bereit, über ihre Honorare für Horden von Associates die Ausbildungskosten für Berufseinsteiger und Junganwälte zu übernehmen. Doch wie sollen die jungen Berater sonst Praxiserfahrung sammeln, wenn nicht in der Mandatsarbeit?

Einbahnstraße Unternehmensjurist?

Unternehmen auf der anderen Seite finden kaum Nachwuchskräfte, weil Berufseinsteiger fürchten, in eine Einbahnstraße zu gelangen, sollten sie ihre Karriere in einer Rechtsabteilung beginnen. Möchten sie später doch auf Kanzleiseite wechseln, so die Vorstellung vieler Juraabsolventen, wäre dies kaum möglich. Auch unterscheidet sich die Ausbildung im Unternehmen in den ersten Berufsjahren signifikant von der in Kanzleien.

Denn Unternehmensjuristen werden meist generalistisch ausgebildet, ihnen fehlt die juristische Tiefe. Außerdem können Rechtsabteilungen nicht mithalten, was die Entlohnung angeht. Sie zahlen weit weniger als Großkanzleien, die mit Einstiegsgehältern von teils mehr als 100.000 Euro um Berufsanfänger buhlen.

Die bisherigen Versuche, einen Ausbildungsweg für Juristen zu schaffen, der sowohl Unternehmen als auch Kanzleien zufrieden stellt, haben sich bislang nicht bewährt. Der Studiengang Wirtschaftsrecht beispielsweise, 1993 an Fachhochschulen erstmals eingeführt, hat sich auch nach mehr als 20 Jahren in der Praxis nicht als zufriedenstellende Lösung erwiesen. Die Karrierechancen für Wirtschaftsjuristen sind nach wie vor begrenzt und Absolventen kämpfen allerorts um Anerkennung.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Juristenausbildung neu gedacht: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13906 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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