Vor allem in Großverfahren gilt es oft, abertausende Seiten von Dokumenten durchzusehen, einzuordnen oder teilweise zu schwärzen. Bei dieser ungeliebten Aufgabe handelt es sich nach einem brisanten Urteil aus den USA nicht um anwaltliche Arbeit
Die Entscheidung hat für den deutschen Rechtsraum keine unmittelbare Relevanz, ist aber gleichwohl brisant: "Document Review", also das Durchsehen von Dokumenten auf bestimmte Schlagworte, das Einordnen dieser Dokumente in bestimmte Kategorien und ggf. das Schwärzen bestimmter Passagen, ist nach einem Urteil des Second Circuit Appeals Court keine anwaltliche Arbeit.
Diese Aufgabe fällt vor allem in großen wirtschaftlichen Verfahren, wie sie typischerweise von Großkanzleien betrieben werden, häufig an. Um die teuren Associates damit nicht zu belasten, werden häufig über externe Dienstleister meist niedriger qualifizierte "Projektjuristen" für einige Monate, manchmal auch Jahre, eingekauft, die die wenig stimulierende Arbeit erledigen sollen.
Für Anwälte kein Sonderhonorar bei Überstunden
So auch im nun entschiedenen Fall: Der Kläger war zu einem Stundenlohn von 25 US$ über die Vermittlungsgesellschaft "Tower Legal Staffing" für 15 Monate an die bekannte Großkanzlei Skadden, Arps, Slate Meagher & Flom vermittelt worden.
Nach seinem Vortrag, den der Appeals Court aus prozessualen Gründen als wahr unterstellte, war er offiziell Arbeitnehmer bei Tower Staffing, habe aber jeglichen Weisungen seitens der Großkanzlei Folge leisten müssen. Nach dem Ende seiner Beschäftigung verlangte er zusätzliche Vergütung für die geleisteten Überstunden, die ebenfalls nur mit 25 US$ (und nicht, wie im gesetzlichen Regelfall, mit dem 1,5fachen des sonstigen Stundenlohns) honoriert worden waren. Die beiden beklagten Unternehmen argumentierten, dass er als Anwalt den Regeln zur zusätzlichen Bezahlung von Überstunden nicht unterfalle. Die Vorinstanz hatte dem zugestimmt.
Arbeit, die auch eine Maschine machen könnte
Dem folgte der Appeals Court nicht. Nach seiner Einschätzung handelt es sich bei den vom Kläger verrichteten Aufgaben nicht um anwaltliche Arbeit. Nach dessen eigenem Vortrag habe er unter so engen zeitlichen Vorgaben und anhand so klarer Regeln gearbeitet, dass von einer eigenen rechtlichen Begutachtungsleistung nicht gesprochen werden könne. Im Gegenteil könne diese Art von Arbeit praktisch auch von einer Maschine erledigt werden.
Die Auswirkungen des Urteils bleiben abzuwarten. Die vom Kläger beschriebene mangelnde individuelle Freiheit und das eher stumpfsinnige Abarbeiten von Aktenbergen sind bei Dokumentenprüfungen - nicht nur in den USA - durchaus üblich. Ob allerdings tatsächlich überhaupt keine eigene rechtliche Begutachtungsleistung mehr vorliegt, dürfte auf den Einzelfall ankommen.
Constantin Baron van Lijnden, Entscheidung des Second Circuit Appeals Court: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16378 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag