Im Steuerskandal um die Cum-Ex-Aktiendeals zu Lasten der Staatskasse sitzt erstmals ein Rechtsanwalt in Untersuchungshaft. Es handelt sich offenbar um einen ehemaligen Steuerrechtspartner von Freshfields Bruckhaus Deringer.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nannte den Namen des Inhaftierten nicht. Sie teilte am Mittwoch lediglich mit, es handele sich um einen Rechtsanwalt, der bei einer international tätigen Großkanzlei gearbeitet habe. Ihm werde Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen. Der Mann sei vergangenen Freitag an seinem Wohnort in Hessen festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Weitere Details wurden nicht genannt. Bundesweit sei es die erste Festnahme eines Rechtsanwaltes wegen Cum-Ex-Geschäften.
Von dem Fall hatten zuvor die Süddeutsche Zeitung (SZ) und der WDR berichtet. Laut WDR und SZ handelt es sich bei dem Beschuldigten um den früheren Steuerrechts-Chef von Freshfields Bruckhaus Deringer. Er habe seine Partnerschaft in der Kanzlei vor kurzem auf eigenen Wunsch niedergelegt.
"Gefälligkeitsgutachten" für die Maple Bank?
Laut dem 390-seitigen Abschlussbericht der Ermittlungsgruppe "Bär" der hessischen Steuerfahndung soll der Steuerrechtler zwischen 2006 und 2009 "Gefälligkeitsgutachten" geschrieben haben, die den Cum-Ex-Geschäften einen legalen Anstrich gegeben hätten. Er soll auch geholfen haben, die Finanzbehörden bei einer Betriebsprüfung gezielt in die Irre zu führen, berichten WDR und SZ. Auftraggeber von Freshfields soll die inzwischen insolvente Maple Bank gewesen sein.
Der Strafverteidiger des Anwalts, Werner Leitner, sagte gegenüber WDR und SZ, dass man die Inhaftierung anfechten wolle. Zur Sache wollte er sich nicht öffentlich äußern. Der Anwalt hat den Berichten zufolge in mehreren Vernehmungen stets bestritten, illegal agiert zu haben. Er habe nicht gewusst, dass seine Mandanten sich anders verhalten hätten als von ihm begutachtet.
Klage wegen Falschberatung endete mit Vergleich
Die Maple Bank hatte zwischen 2006 und 2010 Cum-Ex-Geschäfte in großem Stil betrieben, jedoch wurden ihr diese Deals zum Verhängnis: 2016 schloss die Finanzaufsicht Bafin das Institut, weil wegen einer Steuerrückstellung im Zusammenhang mit den getätigten Cum-Ex-Geschäften die Überschuldung drohte.
Der Insolvenzverwalter der Bank, Dr. Michael Frege, hatte Freshfields daraufhin beim Landgericht Frankfurt auf 95 Millionen Euro Schadensersatz wegen Falschberatung verklagt. Im August haben sich die Parteien auf einen Vergleich geeinigt: Freshfields zahlt 50 Millionen Euro, im Gegenzug wird die Klage zurückgenommen.
Staatsanwaltschaften ermitteln seit Jahren
Die Cum-Ex-Affäre gilt als größter Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Banken, Fonds und Berater sollen sich jahrelang über komplexe Aktiengeschäfte an der Staatskasse bedient haben, indem sie sich Steuern erstatten ließen, die zuvor niemand gezahlt hatte. Dabei nutzten die Investoren eine Lücke im Gesetz.
Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war den Finanzämtern nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten, und sie erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Der Schaden geht in die Milliarden. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. Diverse Staatsanwaltschaften ermitteln seit Jahren zu dem Komplex. In Bonn stehen inzwischen zwei frühere Aktienhändler vor Gericht (Az. 62 KLs 1/19)
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Cum-Ex-Deals: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38941 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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