Vor dem Landgericht Bonn wird das Strafverfahren gegen den Anwalt Hanno Berger verhandelt. Ihm werden besonders schwere Steuerhinterziehung und Betrug vorgeworfen. Der zweite Prozesstag brachte Beschwerden und Zeugen.
Der Steueranwalt Dr. Hanno Berger muss sich seit dem 4. April 2022 vor der 12. Strafkammer des Landgerichts (LG) Bonn verantworten (Az. 62 KLs 2/20). Die Anklage lautet auf Betrug und besonders schwere Steuerhinterziehung in drei Fällen in den Jahren 2007 bis 2013.
Dem 71-jährigen wird vorgeworfen, gemeinsam mit einer Privatbank den Grundstein für Cum-Ex-Geschäfte gelegt und maßgeblich die dafür notwendigen Strukturen geschaffen zu haben. Berger soll zudem Investoren angeworben und auch persönlich einen wirtschaftlichen Vorteil aus den Transaktionen gezogen haben. Der durch die ihm zur Last gelegten Fälle entstandene Schaden wird auf rund 278 Millionen Euro taxiert.
Um welche Geschäfte geht es?
Bei den "Cum-Ex" getauften Finanzgeschäften machten sich Banken und andere Beteiligte eine Gesetzeslücke zunutze. Rund um den für die Dividendenzahlung maßgeblichen Stichtag wurden Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Transaktionspartnern in rascher zeitlicher Abfolge transferiert.
So blieb unklar, wem die Papiere wirtschaftlich zuzuordnen waren und die Finanzämter erstatteten in zahlreichen Fällen Kapitalertragsteuern, die gar nicht abgeführt worden waren. Das gesetzliche Schlupfloch wurde 2012 geschlossen.
Im Sommer 2021 urteilte der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten und damit strafbar sind (Urt. v. 28.07.2021; Az. 1 StR 519/20). Der Bundesfinanzhof hat im März 2022 die steuerrechtliche Unzulässigkeit festgestellt und die Revision gegen ein vorinstanzliches Urteil des Finanzgerichts Köln zurückgewiesen (Urt. v. 2.2.2022; Az. I R 22/20).
Die Hauptfigur
Hanno Berger gilt als zentrale Figur im Cum-Ex-Komplex und war als Berater von Banken und Investoren tätig. Der ehemalige Finanzbeamte und Bankenprüfer beteuerte in der Vergangenheit seine Unschuld. Das Ausnutzen bestehender Gesetzeslücken sieht er als legitim an und stand mit seiner Einschätzung lange Zeit auch nicht allein da.
Berger hatte sich 2012, als seine Frankfurter Kanzlei durchsucht wurde, in die Schweiz abgesetzt und seinen deutschen Wohnsitz aufgegeben. Mitte des Jahres 2021 wurde er im Kanton Graubünden festgenommen.
Die hessische und auch die nordrhein-westfälische Justiz beantragten seine Auslieferung nach Deutschland, die im Februar dieses Jahres von dem Schweizer Bundesamt für Justiz bewilligt und wenige Tage später vollzogen wurde. Seit seiner Überstellung sitzt Berger in Untersuchungshaft.
Im Fall einer Verurteilung droht Berger eine lange Zeit im Gefängnis. Allein für schwere Steuerhinterziehung ist eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren vorgesehen (§ 370 Abgabenordnung).
Paralleles Verfahren in Wiesbaden
Parallel zum Verfahren am LG Bonn startet am 2. Juni auch vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden ein Prozess gegen Berger (Az. 6 KLs - 1111 Js 18753/21). In einer 948 Seiten umfassenden Anklageschrift wird Berger vorgeworfen, zwischen 2006 und 2008 falsche Bescheinigungen über nie gezahlte Kapitalertragsteuer in einer Größenordnung von insgesamt rund 113 Millionen Euro erlangt zu haben.
Weil sich die beteiligten Staatsanwaltschaften nicht darauf verständigen konnten, ihre Anklagen zu einem Gesamtverfahren zusammenzuführen, laufen die Prozesse nun getrennt und nebeneinander. Der Prozessauftakt in Wiesbaden war zunächst für den 12. April terminiert. Das Gericht gab am 5. April bekannt, dass der Beginn der Hauptverhandlung verschoben wird. Grund sei die Notwendigkeit der weiteren Einarbeitung der Pflichtverteidiger in die umfangreichen Akten.
Verhandlung zu Cum-Ex vor dem Bonner Landgericht: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48027 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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