Nach Krawallen im Kapitol: US-Anwälte for­dern Trumps Abset­zung

08.01.2021

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten verurteilt das Management einer amerikanischen Top-Kanzlei den Angriff von Trump-Anhängern auf den US-Kongress. Die Kanzleiführung fordert die Politik auf, den Präsidenten abzusetzen.

"Der Präsident hat sich als ungeeignet für das Amt erwiesen und ist eine rücksichtslose und mutwillige Bedrohung für die Verfassung, die zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen er geschworen hat." Mit diesen harschen Worten positioniert sich das Management der angesehen Kanzlei Crowell & Moring zu den Krawallen im US-Kongress.

Die Ausschreitungen vom Mittwoch seien "das direkte und vorhersehbare Ergebnis" einer Kundgebung gewesen, die Trump einberufen habe, und bei der er falsche Behauptungen über eine manipulierte Wahl wiederholt hatte. "Es war ein Aufruhr, der durch die eigenen Worte des Präsidenten bei dieser Kundgebung angezettelt wurde, und dann durch seine Worte danach entschuldigt", schreibt die Kanzleiführung.

In dem Aufruf, den die Sozietät am Donnerstag (Ortszeit) verbreitete, fordert die Führungsriege der Kanzlei den Vizepräsidenten Mike Pence und die Kabinettsmitglieder deshalb auf, eine Amtsenthebung auf Basis des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung anzustrengen. Zudem ermutigt das Kanzleimanagement "alle Kanzleiführer und alle Anwälte in der Regierung", sich dem Aufruf anzuschließen.

Zwar hätten Anwältinnen und Anwälte politische Ansichten wie alle anderen Menschen. Aber wenn es darum gehe, die Verfassung und das Rechtssystem zu verteidigen, hätten sie "eine besondere Pflicht", heißt es in dem Schreiben. "In diesem Moment müssen wir unsere Stimme erheben, in Hingabe an diese Grundprinzipien unserer Nation."

Crowell & Moring zählt zu den 100 größten US-Kanzleien. Der Hauptsitz ist in Washington D.C., insgesamt arbeiten rund 550 Anwältinnen und Anwälte an neun Standorten für die Kanzlei. In Europa ist Crowell & Moring bis auf ein Büro in Brüssel nicht vertreten.

Die Zeit für eine Absetzung wird knapp

Nach dem 25. Zusatzartikel kann ein Präsident für unfähig erklärt werden, "die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben". Eine solche Erklärung müssten Vizepräsident Mike Pence und eine Mehrheit der wichtigsten Kabinettsmitglieder abgeben. Sie müssten dies dann dem Kongress mitteilen. Der Präsident könnte Widerspruch einlegen, der wiederum überstimmt werden könnte. Dann wäre der Kongress am Zug. Bis zu einer Entscheidung dort wäre Pence amtierender Präsident.

Im Parlament ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung Trumps zwar nicht absehbar. Der Kongress hätte aber 21 Tage Zeit, um abzustimmen - also bis nach Bidens Vereidigung am 20. Januar.

Die Proteste von Trumps Anhängern, die fünf Menschen das Leben kosteten, hatten sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses im Kongress gerichtet. Die beiden Kongresskammern bestätigten Bidens Sieg am Donnerstagmorgen jedoch trotz der Ausschreitungen offiziell.

Auch führende Demokraten im Kongress haben eine sofortige Absetzung des republikanischen Präsidenten gefordert. Nancy Pelosi bezeichnete Trump als "gefährlichen Mann" und warnte, er könne in seinen verbleibenden Tagen im Amt weiteren großen Schaden anrichten. Auch mehrere Republikaner warfen Trump offen vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt.  Als erster republikanischer Abgeordneter forderte Adam Kinzinger, der Trump zuletzt wiederholt kritisiert hatte, den Präsidenten mit Hilfe des 25. Verfassungszusatzes des Amtes zu entheben. Das Kabinett und der Vizepräsident müssten handeln, um "diesen Alptraum" zu beenden.

ah/LTO-Redaktion

Mit Material von dpa

Zitiervorschlag

Nach Krawallen im Kapitol: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43932 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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