Bundeskartellamt lehnt Milchpreiskonzept ab: Auch Nach­hal­tig­keit hat Grenzen

25.01.2022

Die deutschen Rohmilcherzeuger wollen höhere Verkaufspreise erreichen und legen ein Finanzierungskonzept vor. Das BKartA sieht darin eine unzulässige Preisabsprache und fordert Nachbesserung.

Die deutschen Milcherzeuger vertreten im Rahmen des Agrardialogs Milch die Auffassung, dass die aktuellen Milchpreise nicht angemessen und kostendeckend sind. Um Abhilfe zu schaffen, haben die Interessensvertreter ein Konzept ausgearbeitet, das eine nachträgliche Preisstabilisierung vorsieht. Über die Zulässigkeit hatte das Bundeskartellamt (BKartA) zu entscheiden. Die Behörde gelangte nach Prüfung zu der Entscheidung, dass eine Umsetzung des vorgeschlagenen Modells die kartellrechtlichen Grenzen überschreiten würde.

Das Konzept sieht vor, die durchschnittlichen Kosten der Milcherzeugung für die beteiligten Betriebe über die gesamte Branche hinweg zu ermitteln und auf dieser Basis einen einheitlichen Aufschlag auf den Grundpreis für Milch festzulegen. Der Aufschlag solle ein bindender Bestandteil in den Verträgen zwischen Erzeugern, Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel werden und einer laufenden Anpassung unterliegen. Nach Ansicht der Modellteilnehmer könne auf diesem Weg ein Beitrag zur Finanzierung der Transformation der heimischen Landwirtschaft erbracht werden. Konkrete Kriterien im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte der Produktion werden nicht genannt.

Nach Einschätzung des BKartA sei bei Umsetzung des Finanzierungskonzepts wegen der branchenweiten Geltung im Ergebnis ein flächendeckender Anstieg der Milchpreise zu erwarten. Verbraucherinnen und Verbraucher hätten keine Möglichkeit mehr, im Lebensmitteleinzelhandel auf günstige Alternativen auszuweichen.

Milcherzeuger können nachbessern

Der Präsident des BKartA, Andreas Mundt, erläutert die Entscheidung: "Das von Agrardialog vorgestellte Finanzierungsmodell ist kartellrechtlich nicht zulässig. Im Kern geht es um die Verabredung von Preisaufschlägen, die über die Lieferkette bis zum Milchregal durchgereicht werden. Gemeinwohlziele wie Nachhaltigkeit sind rechtlich anerkannt. Aber das wirtschaftliche Interesse an einem höheren Einkommensniveau kann für sich genommen keine Freistellung solch einer Vereinbarung rechtfertigen. Nachhaltigkeitsaspekte spielen bei dem Finanzierungsmodell keine Rolle. Der Agrardialog hat aber jederzeit die Möglichkeit, uns ein Nachhaltigkeitskonzept vorzulegen, das nicht auf eine Preisabsprache zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückgreift."

Die Wettbewerbswächter lassen die Tür für die deutschen Milcherzeuger damit einen Spalt offen. Mit dem Inkrafttreten von Art. 210a der Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (GMO) in der Europäischen Union im Dezember des vergangenen Jahres sind kartellrechtliche Ausnahmen für Nachhaltigkeitsinitiativen betreffend des Umweltschutzes, des Tierwohls oder der Verringerung des Einsatzes von Pestiziden grundsätzlich möglich.

Zustimmung des BKartA fand zuletzt eine Initiative für existenzsichernde Löhne im Handel mit Bananen. Weiterhin unzulässig sind Preisabsprachen, die nicht mit der Anwendung höherer Standards für Nachhaltigkeit einhergehen, als im europäischen oder dem jeweiligen nationalen Recht vorgesehen.

sts/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bundeskartellamt lehnt Milchpreiskonzept ab: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47312 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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