Folgen des Brexits für Unternehmen: Aus­wan­dern nach Kon­ti­nen­ta­l­eu­ropa

von Dr. Dirk Jannott und Nela Vasova

26.07.2017

2/2: Verschmelzung oder grenzüberschreitender Formwechsel

Als dritte Möglichkeit kommt die Verschmelzung einer britischen Plc. auf eine Aktiengesellschaft im EU/EWR-Ausland nach den Regeln der SE-Verordnung in Betracht. Diese Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung wurde noch vor der Verschmelzungsrichtlinie durch die SE-Verordnung als eine der zulässigen Gründungsformen der SE geschaffen. Mit Wirksamwerden der Verschmelzung nimmt die übernehmende Aktiengesellschaft die Rechtsform der SE an.

Als vierte Option erwähnenswert ist die vom Europäischen Gerichtshof in den berühmten Entscheidungen "Cartesio" und "VALE" als zulässig bestätigte Möglichkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels von europäischen Kapitalgesellschaften in eine Kapitalgesellschaft nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats.

Mit einem solchen Formwechsel wird die Gesellschaft ohne Auflösung und Abwicklung in ihrem Heimatland und unter Wahrung ihrer Rechtsträgeridentität dem Recht einer anderen europäischen Rechtsordnung unterstellt. Das Zuwanderungsland ordnet dann nicht die Neugründung der Gesellschaft an, sie nimmt dabei allerdings die entsprechende Rechtsform der neuen Rechtsordnung an.

Solche formwechselnden Umwandlungen wurden zwar bereits europaweit durchgeführt, einschlägige Präzedenzfälle sind dennoch sehr selten. Durch die deutschen Gerichte zugelassen wurde beispielsweise die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer französischen und einer luxemburgischen S.à.r. l. nach Deutschland unter gleichzeitigem Formwechsel in eine deutsche GmbH. Mangels ausdrücklicher europäischer Regelungen zum Verfahren eines solchen Vorgangs handelt es sich hierbei um eine unsichere Umzugsvariante.

Ohne Europarecht werden stille Reserven laut

Außerhalb dieser gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten, die das europäische Recht vorhält, verbleibt britischen Unternehmens der Weg in das EU-Ausland nur über einen sogenannten Asset Deal. Dabei erwirbt die übernehmende Gesellschaft sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des britischen Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Dies erfordert die Zustimmung sämtlicher Vertragspartner zur Übertragung der Verträge sowie sämtlicher Gläubiger zur Übernahme der Verbindlichkeiten und führt steuerrechtlich regelmäßig zur Aufdeckung stiller Reserven.

Bei der Auswahl der geeigneten Form der Sitzverlegung sind zudem Kriterien wie die Größe und Internationalität des Unternehmens, eine etwaige Börsennotierung, die Rechtsform und die Gesellschafterstruktur zu berücksichtigen.

In der Praxis haben sich insbesondere die ersten drei Möglichkeiten der Sitzverlegung nach europäischem Recht als rechtssicher bewährt. Sicher ist aber auch: Sollte das Vereinigte Königreich im März 2019 aus der EU ausscheiden, ohne dem EWR beizutreten oder andere Sonderregelungen zu verhandeln, werden die aufgezeigten vier Möglichkeiten nach europäischem Recht, den Sitz in das EU-Ausland zu verlegen, nicht mehr zur Verfügung stehen. Dann bleibt nur der Weg über den Asset Deal, der in vielen Fällen mangels Machbarkeit ausscheiden wird.

Die Autoren Dr. Dirk Jannott und Nela Vasova sind Rechtsanwälte bei CMS in Deutschland.

Zitiervorschlag

Folgen des Brexits für Unternehmen: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23621 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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