Der Rechtsmarkt erlebt eine Boutiqueisierung. Das geht auch an der Fondsrechtsberatung nicht spurlos vorbei. Joachim Mogck, Gründungspartner der Kanzlei Orbit, im Interview zu Trends und Perspektiven in der Branche.
LTO: Wir erleben auf dem Rechtsmarkt einen Trend zur Spezialisierung. Eine steigende Zahl von Kanzleien entscheidet sich für das Boutique-Modell mit einem klaren Fokus auf einzelne Rechtsgebiete. Worin sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung?
Dr. Joachim Mogck: Spezialisierung ist die Antwort auf wachsende Komplexität. Die regulatorischen Anforderungen an den internationalen Finanz- und Wirtschaftsverkehr werden jeden Tag weiter ausdifferenziert, ständig ergeben sich neue Rechtsbereiche. Um in allen Bereichen hohe Qualitätsstandards glaubwürdig halten zu können, muss sich der Rechtsmarkt zwangsläufig diversifizieren. Der Rechtsmarkt reflektiert also lediglich die Bedürfnisse der Mandanten und Anforderungen an moderne Rechtsberatung.
Der Spezialisierungsgrad erfordert jahrelange Fokussierung und Begleitung eines Bereichs. Dazu passt ein Boutique-Modell besser, das eine ganz spezifische Industrie in ihren Mittelpunkt stellt und auf Berater:innen mit langfristiger Bindung setzt.
Mit Orbit adressieren Sie die Fondsberatung, ebenfalls ein Nischenmarkt mit einer überschaubaren Anzahl von direkten Konkurrenten. Welche Chancen und Risiken sind mit dieser Ausrichtung verbunden?
Die überschaubare Anzahl an erfahrenen Fondsberatern ist zunächst einmal eine große Chance. Wir kennen den Fondsmarkt inhaltlich und den zugehörigen Rechtsmarkt persönlich. Aus beidem erwächst unsere Idee für die Gründung von Orbit. Wir haben auch zu häufig Krisen gesehen, um nicht an den Markt für Alternative Assets zu glauben.
Regulierung ist für die Branche ein wichtiges Thema. Wie können sich insbesondere kleinere Kanzleien wetterfest machen, um Gegenwind aus dieser Richtung standzuhalten?
Regulierung ist unser Geschäft. Wir formulieren jeden Tag praktikable und verlässliche Antworten auf wachsende regulatorische Anforderungen. Regulierung ist für uns daher nicht Gegenwind, sondern unser täglich neues Sudoku.
Wenn Sie jeweils ein Jurist und ein Nichtjurist darum bittet, Ihr Geschäftsmodell in zwei Sätzen zu erklären - Wie würden die beiden Antworten ausfallen?
Für den Juristen: Fondsberatung findet im Schnittfeld von Aufsichtsrecht, Steuerrecht, Gesellschaftsrecht und professionellen Marktstandards statt. Wir sind eine Fondsboutique und beraten alle Aspekte rund um Fonds – und nicht ein bestimmtes Rechtsgebiet.
Für den Nichtjuristen: Fonds sind Kapitalsammelbecken, die das Kapital von Versicherungen, Vermögensverwaltern und Institutionen bündeln, damit es Fondsmanager:innen in Start-Ups und neue Technologie (Venture Capital), große etablierte Unternehmen (Private Equity), Immobilien oder Infrastruktur investieren. Wir beraten die Fondsmanager:innen, legen die Fonds auf und verhandeln für Investoren die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen.
Mobilität, Digitalisierung, Energie - Fonds als Wegbereiter für die Themen der Gegenwart und Zukunft?
Fonds konnten als Assetklasse in den vergangenen Jahren von anhaltend niedrigen Zinsen profitieren. Versicherungen und Pensionskassen suchen händeringend nach Anlagemöglichkeiten und sind dabei gezwungen, ausgetretene Pfade zu verlassen und höhere Risiken einzugehen. Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden Jahre und welche Auswirkungen ergeben sich daraus für die Fondsberatung?
Alternative Assets sind seit Jahrzehnten im Aufwind. Das Niedrigzinsumfeld steigerte sicher nochmal den Druck, den Blick auf Renditetreiber außerhalb von gehandelten Schuldtiteln und Aktien zu richten. Es wäre aber zu kurz gegriffen, würde man die wachsende Anzahl an Managern, Investoren und Kapital im Bereich Alternativer Investmentfonds als eine Reaktion auf das Niedrigzinsumfeld abtun. Wir holen in diesem Segment in Deutschland nur auf und haben weiterhin Investitionsquoten unterhalb unserer großen europäischen Nachbarn.
Gleichzeitig sind Fonds ein wesentlicher Teil der Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Digitalisierung, Mobilitätswandel, Kreislaufwirtschaft, Ernährung, Energie – Zukunftsthemen werden maßgeblich durch Fonds vorangebracht, die an das Potential neuer Lösungen glauben. Fonds gehen ins Risiko, ohne sie gäbe es keine disruptiven neuen Technologien und Geschäftsmodelle. Fonds sind also Wegbereiter für die Zukunft und wir wollen diese Zukunft mitgestalten.
Der Blick auf die Zusammensetzung des Orbit-Teams zeigt: Die Kanzlei ist bislang eine Männerdomäne. Trifft das auch für die Branche allgemein zu und was darf man von Orbit mit Blick auf Neuzugänge für die Zukunft erwarten?
Da gibt es nichts schönzureden und es wäre das klassische Feigenblatt, jetzt unsere COO oder unsere erste Associate vorzuschieben. Die Branche und ihre Berater:innen besteht weiterhin überwiegend aus Männern. Selbst im hippen Venture Capital-Bereich haben es Frauen oft noch schwer und sehen sich Männerbünden gegenüber.
Neben der Leidenschaft für Fonds eint die Orbit-Gründer, dass jeder meist Töchter hat. Wir nehmen die aktuelle und zukünftige Arbeitswelt für Frauen sehr persönlich. Selbstverständlich wollen wir daher Teil der Lösung sein. Mit nach außen getragenen Ankündigungen und Gesten ist es nicht getan, sondern auf das eigene Handeln und aktive Tun kommt es an. Wir freuen uns natürlich auch über Initiativbewerbungen von weiteren Fondsanwältinnen und solchen, die es werden wollen!
Herr Dr. Mogck, wir danken Ihnen für das Interview.
Orbit ist die erste Boutique-Kanzlei, die sich ausschließlich dem Fondsrecht widmet. Die Gründungspartner Dr. Christian Hillebrand, Dr. Joachim Mogck, Dr. Philip Mostertz, Philipp Neidel und Dr. Simon Schachinger eint ein gemeinsamer Hintergrund in der Fondspraxis von Poellath.
Nischenmarkt Fondsberatung im Fokus: . In: Legal Tribune Online, 19.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45748 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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