Wird bei einem Kartell ein Bußgeldverfahren eingeleitet, hemmt das die Verjährungsfrist von Schadensersatzansprüchen. Der BGH hat entschieden, dass dies auch für Verstöße gilt, die vor Inkrafttreten der entsprechenden Norm begangen wurden.
In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall ging es um die Schadensersatzforderung eines Baustoffhändlers gegen einen Zementhersteller. Der Händler musste von 1993 bis 2002 überhöhte Preise für Zement zahlen, weil der Hersteller an einem Kartell beteiligt war. Das Unternehmen hatte mit anderen Zementherstellern Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen.
Nachdem dieses sogenannte Grauzementkartell aufgedeckt worden war, wurde im Jahr 2003 ein Bußgeld gegen die Kartellanten festgesetzt – es lag in der damaligen Rekordhöhe von 330 Millionen Euro. Der Bußgeldbescheid wurde jedoch erst zehn Jahre später, nämlich im Februar 2013, durch eine Entscheidung des Kartellsenats des BGH rechtskräftig (Beschl. v. 26.02.2013, Az.: KRB 20/12).
Anfang 2015 erhob der Baustoffhändler Feststellungsklage und wollte den Schaden, der ihm durch die überhöhten Preise entstanden ist, vom Zementhersteller ersetzt haben. In der Folge stritten die Parteien darüber, ob die Schadensersatzansprüche nicht mittlerweile verjährt waren. Denn im Juli 2005 trat eine Regelung in Kraft (§ 33 Abs. 5 GWB 2005, jetzt § 33h Abs. 6 GWB), wonach der Lauf der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Kartellverstoßes gehemmt wird, wenn ein Bußgeldverfahren eingeleitet wurde. Die Hemmung endet sechs Monate, nachdem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.
In dem Rechtsstreit ging es also um die Frage, ob die Norm angewendet wird, wenn der Kartellverstoß vor ihrem Inkrafttreten erfolgte, ein Anspruch aber dann noch nicht verjährt war. Die Vorinstanzen haben das unterschiedlich beurteilt: Beim Landgericht (LG) Mannheim hatte die Klage des Baustoffhändlers – bis auf einen Teil der geforderten Zinsen – Erfolg (Urt. v. 30.10.2015, Az.: 7 O 34/15). Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat die Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB dagegen verneint und die Ansprüche als verjährt angesehen (Urt. v. 09.11.2016, Az.: 6 U 204/15).
Revision des Händlers erfolgreich
Auf die Revision des klagenden Händlers hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil des OLG abgeändert und der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht – hinsichtlich der Zinsansprüche allerdings nicht in beantragter Höhe – stattgegeben (Urt. v. 12.06.2018, Az.: KZR 56/16).
Der Kartellsenat des BGH hat entschieden, dass § 33 Abs. 5 GWB 2005 (jetzt § 33h Abs. 6 GWB) auch auf Schadensersatzansprüche angewendet werden kann, die aus Kartellverstößen resultieren, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1. Juli 2005 begangen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren. Dies entspreche dem allgemeinen Rechtsgedanken, wonach bei einer Gesetzesänderung über die Verjährung eines Anspruchs das neue Gesetz ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf zuvor bereits entstandene, aber noch nicht verjährte Ansprüche angewendet wird, teilt der BGH mit.
Anders würde sich die Rechtslage nur darstellen, wenn zusammen mit der Neufassung der Verjährungsregelung auch das materielle Recht grundlegend geändert worden sei oder wenn der Gesetzgeber ausdrücklich eine abweichende Regelung getroffen hätte. Beides sei hier jedoch nicht der Fall, so der BGH weiter.
ah/LTO-Redaktion
BGH zum Schadensersatz bei Kartellen: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29085 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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