Der Stuttgarter Anwalt Eckart Seith ist am Donnerstag in Zürich vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage freigesprochen worden. Das Urteil nennt der Cum-Ex-Whistleblower dennoch einen Skandal.
Eckart Seith kann seine Wut im Bezirksgericht Zürich kaum in Zaum halten: "Ein Skandalurteil, ein schmutziges Urteil", wettert er Minuten später. Dabei hat Richter Sebastian Aeppli die Anklage wegen Wirtschaftsspionage gegen ihn gerade verworfen. Aber was Seith empört: Nach seiner Lesart hat das Gericht einfach einen Seitenaspekt des Verfahrens aufgebauscht, um an einem vollen Freispruch vorbeizukommen.
Denn das Gericht sieht in Seith zwar keinen Wirtschaftsspion, es hat ihn aber wegen der Anstiftung zum mehrfachen Vergehen gegen das Bankengesetz schuldig gesprochen. Ihm wird eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu 460 Schweizer Franken (rund 408 Euro) auferlegt – die allerdings auf Bewährung bzw. "Probezeit", wie es in der Schweiz heißt, ausgesetzt ist.
Ein mitangeklagter Deutscher wurde wegen Wirtschaftsspionage verurteilt und erhielt eine Haftstrafe von 13 Monaten auf Bewährung und eine Geldstrafe von 170 Tagessätzen zu 120 Franken. Ein weiterer mitangeklagter Deutscher erhielt ebenfalls eine Geldstrafe auf Bewährung, ihm wurden 360 Tagessätze zu 360 Franken aufgebrummt (Urt. v. 09.04.2019, Az. DG180059, DG180060 und DG180061). Die Mitangeklagten arbeiteten einst bei der Bank J. Safra Sarasin, die von der Staatsanwaltschaft als Geschädigte der Spionage dargestellt wurde.
Keine Wirtschaftsspionage, keine Verletzung von Geheimnissen
Seith war angeklagt, weil er in einem Prozess vor dem Landgericht Ulm vertrauliche Dokumente der Bank präsentiert hatte. Er erstritt damit eine Millionenentschädigung für seinen Mandanten, den Drogerieunternehmer Erwin Müller (Urt. v. 22.05.2017; Az. 4 O 66/13). Seith wies nach, dass die Bank dem Milliardär Investitionen in Fonds angedient hatte, ohne ihn über die hohen Risiken aufzuklären. Dabei ging es um dubiose und heute illegale Aktientransaktionen - sogenannte Cum-Ex-Geschäfte -, mit denen die Fonds sich Steuern erstatten ließen, die sie nie gezahlt hatten. Seith brachte damit Ermittlungen rund um die Cum-Ex-Deals in Gange, die als einer der größten Steuerskandale der Bundesgeschichte gelten.
Der Züricher Richter Aeppli sprach von einem "klar zu missbilligenden Geschäftsgebaren der Bank" - aber dies sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Sachverhalt im Wesentlichen so zugetragen habe wie angeklagt, teilte es mit. Allerdings verwarf es die meisten Anklagepunkte: Die Voraussetzungen für den Straftatbestand des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes bzw. der Wirtschaftsspionage sah es nicht als gegeben an, "weil der Kläger im deutschen Zivilprozess der Endabnehmer der internen Dokumente war, und ausländische Privatpersonen nicht zum Adressatensegment dieses Straftatbestandes gehören".
Aus Sicht des Gerichts wurden auch keine Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse verletzt: Die Informationen in den Dokumenten bezogen sich auf Bankprodukte, die im Zeitpunkt der Übergabe gar nicht mehr angeboten wurden. Deshalb seien sie für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Bank nicht relevant gewesen. Ebenso sei das Bank- bzw. Börsengeheimnis nicht verletzt worden, weil keine Informationen über andere Kunden mitgeteilt wurden.
Gesetzesverstoß: Übergabe einer Kundenliste
Die Schuldsprüche beziehen sich denn auch auf die Übergabe einer Liste mit Kundennamen der Bank an deutsche Journalisten, die gar nicht im Zentrum des Verfahrens stand. Seith hat nach Überzeugung des Gerichts dazu angestiftet und so gegen das Bankgeheimnis verstoßen.
Aus Sicht von Seith hat das Gericht diese Liste nur herangezogen, um keinen Freispruch aussprechen zu müssen. Es habe die Zahlung von Entschädigungen vermeiden wollen. "Darum geht es in der Schweiz: es geht um's Geld", sagt er und schürt Ressentiments, die in Sachen Bankgeheimnis und Steuerstreit seit Jahren zwischen den Nachbarländern stehen.
Für den Stuttgarter Anwalt ist die Tatsache, dass der schwere Vorwurf der Wirtschaftsspionage gegen ihn vom Tisch ist, alles andere als ein gütlicher vorläufiger Schluss der Auseinandersetzungen. "An den Angeklagten sollte ein Makel hängen bleiben", sagt er nach dem Urteil. Er will das Urteil nicht hinnehmen und weiterziehen - "an das Obergericht, das Bundesgericht und notfalls die europäische Gerichtsbarkeit".
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Bewährungsstrafe für Cum-Ex-Whistleblower Seith: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34865 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag