Auf den Entwurf zur Economic Security Strategy der EU-Kommission lässt die Bundesregierung ihre China-Strategie und Pläne für ein Investitionsprüfgesetz folgen. Carsten Bormann und Tobias Wolf erläutern erwartbare Konsequenzen.
De-Risking ist ein derzeit oft gehörter Begriff und der kleinste gemeinsame Nenner in der Debatte zum Umgang mit China. Die von der Europäischen Kommission eingeführte Terminologie zielt darauf ab, wirtschaftliche und politische Abhängigkeiten von China zu verringern. Die genaue Definition bleibt jedoch unscharf, was zeigt: Ein Begriff macht noch keine Strategie. Zur konkreten außenwirtschaftsrechtlichen Ausgestaltung besteht weiterhin Diskussionsbedarf.
Geplantes Investitionsprüfungsgesetz bringt erste Klarheit für Investoren
Die politische Gemengelage macht es für Unternehmen schwierig, neue Regelungen vorherzusehen und sich auf diese angemessen vorzubereiten. Denn innerhalb der Ampelkoalition ist nicht nur der Umgang mit China, sondern auch die Verschärfung bestehender und Einführung neuer außenwirtschaftspolitischer Instrumente umstritten.
Erst kürzlich hatte die EU-Kommission ihre Economic Security Strategy vorgestellt. Jetzt geben unter anderem die China-Strategie der Bundesregierung und die Eckpunkte für das geplante Investitionsprüfungsgesetz erste Hinweise darauf, wie Berlin den De-Risking-Ansatz hierzulande umsetzen könnte. Im Fokus stehen die Prüfung ausländischer Investitionen, strengere Exportkontrollen, der Schutz kritischer Infrastruktur sowie die Verringerung der Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen.
Neue Gedankenansätze im Außenwirtschaftsrecht
Außenwirtschaftsrechtliche Regelungen bilden einen zentralen Baustein in der Sicherheitsarchitektur westlicher Staaten. Wesentliche Ziele der Regelungen ist es, Gefahren für die nationale öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dabei standen vor allem Exporte von Rüstungsgütern oder Gütern, die auch militärisch genutzt werden können, und Investitionen ausländischer Unternehmen in entsprechende deutsche Industrien im Fokus.
Der Gefahrenbegriff war aus nationalstaatlicher Sicht geprägt. Nationale Sicherheitsinteressen wurden geschützt, indem ausländische Investitionen in kritische Industriesektoren kontrolliert und die Ausfuhr sensibler Güter beschränkt wurden. Investoren aus Drittstaaten sollten möglichst keinen oder allenfalls beschränkten Zugriff auf nationale Rüstungstechnologie oder kritische Infrastruktur erhalten. Umgekehrt sollten deutsche Unternehmen Güter und Technologien nicht in Drittländer ausführen, wenn sich dadurch eine Gefahr für Sicherheitsinteressen ergeben könnte.
Ein zunehmender Paradigmenwechsel des Außenwirtschaftsrechts zeigt sich bereits seit einigen Jahren in der Entwicklung der Investitionsprüfung. Das wird mit der Economic Security Strategy weiter verstärkt, da diese vor allem geostrategische Interessen in den Blick nimmt. Seit 2017 hat die Bundesregierung die Regelungen der Außenwirtschaftsverordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen mehrfach verschärft. Inzwischen müssen in deutlich mehr Industriesektoren Unternehmenserwerbe gemeldet werden. So müssen in den Bereichen Sicherheit- und Verteidigung und kritische Infrastrukturen nun auch Investitionen in Medizinprodukte, Robotik, künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, IT-Sicherheit, Cloud-Computing, Halbleiterfertigung, kritische Rohstoffe oder Agrarproduktion gemeldet werden.
Hintergründe des Erwerbers entscheidend
Vorgesehen ist zudem, dass auch die Hintergründe eines Erwerbers eine Beeinträchtigung nationaler Sicherheitsinteressen begründen können. Das für die Investitionsprüfung zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kann auf dieser Grundlage auch bei Minderheitsbeteiligungen unionsfremder Investoren in einer Vielzahl von Fällen prüfen, ob durch den Erwerb Sicherheitsinteressen beeinträchtigt würden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass hierbei das Zusammenspiel von Sensibilität der Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft, Hintergründe des Erwerbers und industriepolitischer Großwetterlage von zentraler Bedeutung für die Freigabe eines Erwerbs ist.
Die EU-Kommission erfindet mit der Economic Security Strategy das Außenwirtschaftsrecht sicherlich nicht neu. Sie fordert vielmehr, dass bereits bestehende Instrumente besser und robuster angewendet werden, um sensible Geschäftsvorgänge mit Auslandsbezug zu überprüfen und zu kontrollieren. Darauf deutet auf nationaler Ebene nun auch die geplante China-Strategie hin, in der die Bundesregierung auf die laufende Revision und geplante Konsolidierung des Investitionsprüfungsrechts verweist.
Umfassendere Investitionsprüfung und Überwachung von Direktinvestitionen
Erste Anhaltspunkte für Verschärfungen im Bereich der Investitionsprüfung liefert das kürzlich veröffentlichte Eckpunktepapier des BMWK für ein neues Investitionsprüfgesetz. Demnach plant das BMWK den bisherigen regulatorischen Flickenteppich neu zu ordnen und in ein eigenes Gesetz zu überführen. Dabei ist eine Ausweitung auf allen Prüfungsebenen vorgesehen: Angedacht ist etwa, den Anwendungsbereich der Investitionsprüfung zu erweitern auf Erwerbskonstellationen, mit denen Rechte am geistigen Eigentum eines Unternehmens erworben werden, die gleichwertig zu den jetzigen Anteilserwerben sind, sowie auf Greenfield Investitionen. Zudem sollen die bestehenden Fallgruppen konkretisiert und geschärft werden.
Gerade in den Bereichen Halbleiterfertigung, Cloud-Computing, autonomes Fahren und Fliegen, Cyber-Sicherheit und Rohstoffe könnten künftig mehr Unternehmen von der Prüfung erfasst werden. Ebenso könnten die Prüfeintrittsschwellen gesenkt werden. Bemerkenswert scheint auch die geplante Beweislastumkehr für Transaktionen in sensiblen Sektoren: Künftig stünden dann die betroffenen Unternehmen in der Pflicht, die vermutete Sicherheitsrelevanz im Laufe des Prüfverfahrens zu widerlegen.
Eine neue Entwicklung könnte es zudem im Bereich des sogenannten Outbound Investment Screening geben, also der Prüfung von Direktinvestitionen heimischer Unternehmen im Ausland. Nach dem Vorbild der US-Regierung schlägt die EU-Kommission vor, ein Instrumentarium einzuführen, das die Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland in hochsensiblen Sektoren überwacht und gegebenenfalls beschränkt. Die EU-Kommission hat weitere Gespräche mit den Mitgliedstaaten und Konsultationen der Interessengruppen angekündigt und will bis Jahresende eine Initiative präsentieren.
Kein Schutz für bereits getätigte Investments
Die Investitionspolitik verbleibt weiterhin in den EU-Mitgliedstaaten und damit auf nationaler Ebene. Da die Ansichten über die richtige Strategie im Umgang mit China recht unterschiedlich sind, wird es erhebliche Anstrengungen bedürfen, sich auf gemeinsame Regeln zu verständigen. Die grundsätzliche Stoßrichtung ist jedoch auf den ersten Blick klar: Unternehmen müssen geopolitische Unwägbarkeiten zukünftig in ihrem Risikomanagement berücksichtigen und für sich bewerten.
Hierzulande hat das BMWK in den vergangenen Monaten bereits begonnen, weniger Exportkreditgarantien, die sogenannten Hermes-Bürgschaften, für Geschäfte in China zu erteilen. Die Summe ist auf maximal drei Milliarden Euro pro Firma und Land gedeckelt. Außerdem sollen Investitionsgarantien vor allem bei sensiblen Technologien geprüft werden.
Das zeigt: Unternehmen, die bereits in China investiert sind, können zukünftig nicht mehr auf die Unterstützung der Bundesregierung bauen. Eine Vergesellschaftung der unternehmerischen Risiken wird es nicht geben. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen die sich abzeichnenden Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts genauestens verfolgen und sich frühzeitig auf die angepassten Verfahren einstellen.
Dr. Carsten Bormann M. Jur. (Oxford) berät bei Oppenhoff in den Bereichen Öffentliches Wirtschaftsrecht und Außenhandel.
Tobias Wolf berät bei Brunswick unter anderem in den Themengebieten Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Geopolitik sowie Wettbewerbspolitik.
Geplante Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52646 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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