Assistenten in einer Großkanzlei: "Ein Mana­ge­ment-Tandem kommt nur vor­wärts, wenn beide treten"

von Désirée Balthasar

03.12.2015

2/2: "Jeder Chef will typgerecht behandelt werden"

LTO: Was trainieren Sie in Ihren Seminaren?

Schlichtmann: Ich spreche über Themen wie: Funktioniert das Zusammenspiel zwischen Chef und Assistenz oder im Team? Wie kommuniziert man am besten? Welche Möglichkeiten der Entlastung kann die Assistenz bieten? Und wie schafft man es, einen Handlungsrahmen zu definieren? Welcher Stellschrauben bedarf es, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen? Es gibt ja die unterschiedlichsten Charaktere. Jeder Chef möchte anders und vor allem typgerecht behandelt werden.

Außerdem trainiere ich meine Teilnehmer in klassischen Themen wie Protokollführung, Büroorganisation oder Zeit- und Selbstmanagement. Häufig nachgefragt werden auch Themen wie professionelles Telefonverhalten oder wie man seine Korrespondenz zeitgemäß und leserfreundlich gestaltet.

"Ich habe Kanzleien nie als verstaubt empfunden"

LTO: Warum werden ausgerechnet Sie gebucht?

Schlichtmann: Wahrscheinlich, weil ich einer der wenigen Männer in diesem Bereich bin. [lacht] Nein, ich denke, vor allem aufgrund der Praxiserfahrung. Die meisten Trainerinnen haben vor teilweise mehr als 15 Jahren das letzte Mal in einem Sekretariat gesessen. Doch der Teilnehmer merkt ganz schnell, ob jemand aus der Vergangenheit oder aus Büchern berichtet und ob das Wissen ‘frisch‘ ist.

LTO: Wie arbeitet es sich als männliche Assistenz in einer Anwaltskanzlei?

Schlichtmann: Bisher sehr gut. Ich weiß, dass Kanzleien allgemein als verstaubt angesehen werden, aber ich habe das nie so empfunden. Vor allem was die Gender-Aspekte angeht, sind sie relativ fortschrittlich. Im Vergleich zu vielen Industrieunternehmen gibt es bei Großkanzleien eine Reihe weiblicher Führungskräfte und auch weitere männliche Assistenzen. Ich habe nicht das Gefühl, dass hier darauf geachtet wird, welches Geschlecht man hat. Gender Diversity ist ein großes Thema.

"Viele Männer wollen eine Frau als Sekretärin"

LTO: Hat sich die Wahrnehmung einer Assistenz als vor allem weibliche Sekretärin denn allgemein verändert?

Schlichtmann: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass es in den Unternehmen nach wie vor nur wenige Frauen in Führungspositionen gibt. Und viele Männer wollen eine Frau als Sekretärin. Als ich mich vor fünfzehn Jahren auf Stellen beworben habe, waren die meisten Absagen sicher aufgrund der Tatsache, dass ich ein Mann bin. Damals hatten die Führungskräfte ja nur Damen im Vorzimmer. Wenn da eine Bewerbung von einem Mann reinflatterte, verstanden die die Welt nicht mehr.

Mir wurde einmal tatsächlich gesagt: ‘Wir stellen keine Männer auf Assistenzpositionen ein‘. Das war im Jahr 2000, da gab es das Anti-Diskriminierungsgesetz noch nicht. Heute würde solch ein Satz garantiert nicht mehr fallen.

Mein Beruf ist aber nach wie vor eine Frauendomäne. Es gibt Zahlen, die beziffern den Männeranteil auf 1,5 Prozent. Das erscheint mir übertrieben. In über 17 Berufsjahren habe ich höchstens 20 männliche Assistenzen kennen gelernt.

"Wissen ist Macht – gerade im Assistenzbereich"

LTO: Was ist Ihr Rezept für eine erfolgreiche Karriere als Assistenz?

Schlichtmann: Für mich persönlich ist Wissen äußerst relevant. Man kann jemanden nur dann entlasten, wenn man gut informiert ist. Und man kann nur dann sinnvoll priorisieren, wenn man die Unternehmenszusammenhänge versteht. Man sollte wissen: Worum geht es hier eigentlich? Worüber reden die Vorgesetzten? Wie sieht der Markt aus, wer sind die Wettbewerber?

Wer viel weiß, kann mitreden. Und ich möchte fundiert mitreden können, das ist mein eigener Anspruch. Also halte ich mich mit Newslettern und Zeitschriften aus der Branche auf dem Laufenden, bin Mitglied in zwei Sekretariatsverbänden und versuche über den Tellerrand zu schauen. Gerade im Assistenz-Bereich gilt: Wissen ist Macht.

Außerdem ist ein gutes Netzwerk ein großer Erfolgsfaktor. Ich werde regelmäßig gefragt, wen man für dieses oder jenes Thema ansprechen könnte. Das gilt auch für Kontakte außerhalb von Kanzleien. Jeder weiß: Wenn die Assistenz gut vernetzt ist, ist das ein Informationsturbo für den Chef. Und für mich selbst natürlich auch. Ich denke, grundsätzlich sollte man sich die Frage stellen: Wie weit will ich eigentlich kommen? Wer weit kommen will, der sammelt am besten so viel Wissen und Kontakte wie möglich.

Marc Schlichtmann ist ausgebildeter Fremdsprachensekretär, arbeitet als Trainer und Coach und gibt Inhouse-Seminare und Workshops rund um das Thema Sekretariat. Zudem ist er Assistent in einer Großkanzlei in Hamburg.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Assistenten in einer Großkanzlei: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17743 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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