Der frühere Arcandor-Vorstandschef Thomas Middelhoff muss am Donnerstag wieder auf der Anklagebank des LG Essen Platz nehmen. Ihm wird Anstiftung zur Untreue im Zusammenhang mit einer millionenschweren Bonuszahlung vorgeworfen.
Thomas Middelhoff hätte sich seinen 64. Geburtstag sicher schöner vorstellen können. Doch ausgerechnet an seinem Ehrentag an diesem Donnerstag muss der frühere Topmanager noch einmal auf der Anklagebank im Essener Landgericht Platz nehmen. Dort muss er sich allerdings nicht alleine verantworten. Mit angeklagt sind sechs ehemalige Aufsichtsratsmitglieder, darunter der ehemalige Chef des Kontrollgremiums, Friedrich Carl Janssen, und der Ehemann der Quelle-Erbin und Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz, Leo Herl.
Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft Middelhoff Anstiftung zur Untreue vor. Dabei geht es um knapp 2,3 Millionen Euro, die der Aufsichtsrat ihm als damaligen Arcandor-Vorstandsvorsitzenden auf sein Drängen hin als Sonderbonus zugebilligt haben soll, als er aus der Unternehmensführung ausschied. Wenige Monate später war der Warenhauskonzern, der früher unter KarstadtQuelle firmierte, insolvent.
Den ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern legt die Staatsanwaltschaft in der 633 Seiten umfassenden Anklageschrift Untreue zur Last: wegen der Erfolgsprämie für Middelhoff, aber auch wegen einer ähnlichen Zahlung an Dr. Peter D., den früheren Finanzvorstand des Konzerns. Die beiden Manager hätten keinen Anspruch auf das Geld gehabt und die Zahlungen hätten für das Unternehmen auch wirtschaftlich keinen Nutzen gebracht, meint die Staatsanwaltschaft.
Strafkammer ließ Anklage nur gegen sieben Personen zu
Ursprünglich hatte sich die Anklage vom November 2015 an 15 Verantwortliche der Arcandor AG gerichtet. Die Strafkammer des LG Essen hat sie allerdings nur gegen sieben Angeklagte zur Hauptverhandlung zugelassen.
So hatten die Ankläger dem ehemaligen Finanzvorstand D. Anstiftung zur Untreue, bezogen auf seine Abfindung, vorgeworfen. Die Strafkammer sehe jedoch keinen hinreichenden Tatverdacht für eine Beteiligung D.s, teilte sie mit. Das Aushandeln eines günstigen Aufhebungsvertrages sei noch die legitime Wahrnehmung eigener Interessen und führe für sich genommen nicht zur Strafbarkeit wegen Anstiftung. Für ein möglicherweise strafbares Einwirken auf die Mitglieder des Ständigen Ausschusses gebe es keine näheren Anhaltspunkte.
"Mannesmann-Klausel" in den Vorstandsverträgen?
Schließlich richtete sich die Anklage gegen weitere sieben ehemalige Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsmitglieder der Arcandor AG. Tatvorwurf waren weitere Bonusgewährungen an vier Vorstandsmitglieder in einer Gesamthöhe von 4,99 Millionen Euro im Zeitraum 2006 bis 2009. Die Strafkammer hat in diesen Fällen keinen hinreichenden Tatverdacht für gravierende Pflichtverletzungen bei der Gewährung gesehen.
Nach Informationen aus Verteidigerkreisen hatte die Staatsanwaltschaft ihrer Anklage eine Art "Verschwörungskonstrukt" der Beteiligten zugrunde gelegt. Demnach soll man bei Arcandor bereits im Jahr 2006 eine sogenannte Mannesmann-Klausel in die Vorstandsverträge eingeführt haben. Dadurch sollte gezielt eine - tatsächlich unwirksame – "Schein-Grundlage" geschaffen werden, um unzulässigerweise nach Gutdünken Boni auskehren zu können. Die Bezeichnung "Mannesmann-Klausel" dürfte sich auf die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone im Jahr 2000 beziehen. Damals hatten führende Manager von Mannesmann ungewöhnlich hohe Abfindungen erhalten, für die sie sich in einem Wirtschaftsstrafverfahren vor dem LG Düsseldorf verantworten mussten.
Verteidiger sind siegessicher
Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte Beschwerde gegen die teilweise Nichtzulassung der Anklage eingelegt. Die Beschwerde ist teils zurückgenommen, im Übrigen durch Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm zurückgewiesen worden.
Die Verteidiger der Angeklagten geben sich vor diesem Hintergrund siegessicher: Middelhoffs Verteidigerin Anne Wehnert von der Kanzlei tdwe Thomas Deckers Wehnert Elsner weist den Vorwurf der Anstiftung zur Untreue entschieden zurück. "Wir sind zuversichtlich, dass die Beweisaufnahme die Vorwürfe rasch widerlegen wird", sagt sie.
Auch der Verteidiger von Friedrich Carl Janssen, Björn Gercke von der Sozietät Gercke Wollschläger, ist "sicher, dass das Verfahren mit einem Freispruch endet". Der Anwalt von Leo Herl wollte sich vor Beginn des Verfahrens nicht zu den Vorwürfen äußern.
Für den Prozess sind insgesamt 34 Verhandlungstage bis zum 21. Dezember 2017 vorgesehen. (Az.: 21 KLs-35 Js 20/12-18/15).
Anja Hall, Arcandor-Insolvenz: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22887 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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