Die deutsche Anwaltschaft stößt bei der Geldwäscheprävention an Grenzen. Dabei geht es nicht zuletzt um die Verschwiegenheitspflicht. Eine Überprüfung von Geldwäschestandards brachte Ernüchterung. Jacob Wende kennt die Details.
Im Frühjahr 2022 kam es zu einem Aufschrei. Mehrere Banken haben gegenüber Kanzleien Kündigungen der Sammelanderkonten ausgesprochen. Hintergrund waren Änderungen der BaFin zu den Vorgaben zum Geldwäschegesetz. Während Banken die Sammelanderkonten von Kanzleien bis 2021 grundsätzlich mit einem niedrigen Risiko bewerten konnten, sollte dies nach einer Neuauflage der von der BaFin herausgegebenen Auslegungshinweisen zum Geldwäschegesetz nicht mehr möglich sein.
Die Konto-Kündigungen wurden von der Anwaltschaft scharf kritisiert und als grundsätzlicher Misstrauensbeweis gegenüber dem Berufsstand empfunden. Jetzt fallen Anwaltskanzleien wieder auf. Im Rahmen der FATF-Deutschlandprüfung wurde der deutschen Anwaltschaft für das Feld der Geldwäscheprävention kein gutes Zeugnis ausgestellt. Die Frage erscheint aktueller denn je, welche Herausforderungen für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit dem Geldwäschegesetz verbunden sind.
Kanzleien als "Gatekeeper" von Kriminellen
In Finanzskandalen wie den "Panama Papers", "Pandora Papers" und "Paradise Papers" haben Anwaltskanzleien regelmäßig eine zentrale Rolle gespielt. Es waren auch bekannte und internationale Kanzleien daran beteiligt, Unternehmenskonstrukte aufzusetzen, mit denen verschleiert werden konnte, wer als sogenannter "wirtschaftlich Berechtigter" tatsächlich hinter einem Geschäft steht. Auf diese Weise konnten hohe Geldsummen und Vermögenswerte in Offshore-Jurisdiktionen versteckt werden. Dabei haben die Kanzleien in ihrer Beratung nicht zwingend gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Vielmehr wurden oft Lücken in nationalen und internationalen Regelungswerken ausgenutzt, die entweder sehr reichen Personen oder gar Kriminellen geholfen haben.
Aus der Sicht der internationalen Geldwäschebekämpfung stellen Kanzleien daher ein relevantes Risiko dar und müssen umfassende Anforderungen nach dem Geldwäschegesetz bei Mandantenkontakten erfüllen. Aufgrund der Vielfältigkeit von möglichen Geldwäschephänomenen treffen die Pflichten nicht nur international aufgestellte Kanzleien mit Kontakt zu Offshore-Jurisdiktionen. Die Organisierte Kriminalität ist breit aufgestellt und auch ein Immobilienerwerb oder die Gründung eines Unternehmens kann relevant sein, um ein komplexes kriminelles Netzwerk zu erkennen.
FATF-Bericht: Deutschland wurde auf internationale Geldwäschestandards geprüft
Dass es den Kanzleien in Deutschland noch an einer ausreichenden Sensibilität bei der Umsetzung des Geldwäschegesetzes fehlt, wird nun auch von der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) deutlich gemacht. Die FATF evaluierte über Monate hinweg wie sich der Finanzsektor, der Immobiliensektor, die rechtsberatenden Berufe sowie staatlichen Stellen in Deutschland bei der Geldwäscheprävention und -bekämpfung schlagen.
Ende August wurde der mit großer Spannung erwartete Prüfungsbericht der FATF veröffentlicht: Das Ergebnis der FATF ist insgesamt durchwachsen. Bemerkenswert ist, dass Anwälte schlechter abschneiden als Banken. Nach dem Prüfungsbericht bestehe bei den Rechtsberatern ein "mangelndes Bewusstsein, Missverständnisse bezüglich der Meldeschwelle, unzureichende Umsetzung von Präventivmaßnahmen und Verwirrung bezüglich der beruflichen Geheimhaltungspflichten".
Die Bedeutung des Prüfungsberichtes der FATF ist nicht zu unterschätzen. Denn auch wenn es sich bei den internationalen Vorgaben der FATF lediglich um "soft law" handelt, verfügt die FATF über einen sehr effektiven Durchsetzungsmechanismus. Sollte ein Land bei einer Prüfung (besonders) schlecht abschneiden und nichts dagegen unternehmen, ruft die FATF alle anderen Länder der Welt zur Vorsicht im Geschäftsverkehr mit diesem Land auf. Ein Negativzeugnis kann damit einen erheblichen Einfluss auf den internationalen Handelsverkehr haben.
Es stellt sich daher die Frage, wo Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland bei der Geldwäschebekämpfung stehen und welche Verbesserungen möglich wären.
Unzureichende Ausbildung im Bereich Geldwäschegesetz
*Zunächst muss wohl eingestanden werden, dass die Ausbildung über das Geldwäschegesetz sowie dem Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) bei vielen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zu kurz kommt. Schaut man allein in die Ausbildungsordnungen der Länder, dann wird das Geldwäschegesetz nicht erwähnt (vgl. z.B. § 7 I Nr. 3 JAG Hessen; § 11 II Nr. 7 b) JAG NRW; § 11 II Nr. 2 b) JAPO M-V).
Der Straftatbestand der Geldwäsche wird in einigen Bundesländern wie in Berlin und Brandenburg sogar ausdrücklich als Ausbildungsgegenstand ausgenommen (§ 3 IV Nr. 2 JAO Berlin; § 3 IV Nr. 2 b. kk) BbgJAO). Auch gibt es bisher kaum Lehrstühle an den deutschen Universitäten, die sich mit diesem Thema vertieft auseinandersetzen. Für ein Thema, das der breiten Masse der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bekannt sein sollte, erscheint das zu wenig*.
Missverständnisse bei der Anwendung des Geldwäschegesetzes
Des Weiteren gibt es aufgrund der komplizierten Regelungen viele Schwierigkeiten schon bei dem Anwendungsbereich des Geldwäschegesetzes. Denn das Gesetz soll nicht bei jeder Mandatsbeziehung Anwendung finden, sondern nur wenn bestimmte Katalogtätigkeiten vorliegen. Allerdings umfasst der Katalog wesentliche Tätigkeitsbereiche von Rechtsanwälten wie die gesellschaftsrechtliche Beratung (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a, lit. ee GwG). Dabei reichen schon geringfügige Überschneidungen.
Sollte beispielsweise ein Verkehrsrechtler auch nur einmal zu einem gesellschaftsrechtlichen Thema beraten, muss nicht nur die konkrete Mandatsbeziehung geldwäscherechtlich geprüft werden, sondern alle Anforderungen des Geldwäschegesetz (z.B. Erstellung der Risikoanalyse, Schulung der Mitarbeiter usw.) müssen zukünftig beachtet und aktualisiert werden. Ebenso muss ein Arbeitsrechtler eine Geldwäscheprüfung vornehmen, wenn die arbeitsrechtliche Beratung im Rahmen einer M&A-Transaktion erfolgt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. d GwG). Viele weitere Beispiele ließen sich bilden.
Noch komplexer ist die konkrete Umsetzung der Anforderung des Geldwäschegesetzes, etwa in Gestalt der Risikobewertung eines Mandanten. Hier müssen Hinweise aus der Nationalen Risikoanalyse, den Anhängen des Geldwäschegesetzes, den Hinweise der FIU, der Europäischen Kommission sowie den vielen Veröffentlichungen der FATF (oft nur in englischer Sprache verfügbar) beachtet werden: Ein regulatorischer Dschungel, der selbst Anwälte an ihre fachlichen Grenzen bringt. Für zusätzliche Brisanz sorgt dabei die Pflicht, im Verdachtsfall eine Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz abzugeben. Hier drohen einerseits Sanktionen, wenn die Meldung pflichtwidrig unterbleibt, andererseits spricht das Vertrauensverhältnis zum Mandanten für ein zurückhaltendes Melden.
Steigender Druck auf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Um im anwaltlichen Alltag hinreichende Sensibilität für problematische Situationen zu entwickeln und die teilweise komplizierten Vorschriften umzusetzen, braucht es eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Geldwäsche. Nicht mehr ausreichend wird der Satz sein, "man habe nichts mit Geldwäsche zu tun" oder "man kenne seine Mandanten schon". Es besteht die Gefahr, dass durch einen nachlässigen Umgang mit den geldwäscherechtlichen Verpflichtungen die Integrität des gesamten Berufstandes öffentlich in Frage gestellt werden könnte.
Der Bankensektor wurde durch medial wirksame Durchsuchungen und hohe Bußgelder diszipliniert, das Thema Geldwäschebekämpfung ernst zu nehmen. Auch im Bereich der rechtsberatenden Berufe nehmen die Kontrollen zu. Im Jahr 2021 fanden insgesamt 2.631 Prüfungsmaßnahmen bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Deutschland statt. Auf der Internetseite der Rechtsanwaltskammer München lassen sich inzwischen mehr als 100 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen des Geldwäschegesetzes finden. Es scheint wahrscheinlich, dass der Druck auf die Kanzleien, das Geldwäschegesetz effektiv umzusetzen, noch weiter zunehmen wird.
Der Autor Dr. Jacob Wende ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer bei der Regpit GmbH, einem RegTech-Unternehmen für Geldwäscheprävention.
Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Geldwäscheprävention und Compliance und berät Unternehmen, Kanzleien und sonstige Verpflichtete in diesem Bereich.
(*Abschnitt überarbeitet am 17/10/22 um 14.08 Uhr)
Anwaltschaft schneidet bei FATF-Prüfung schlecht ab: . In: Legal Tribune Online, 14.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49889 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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