Rund eineinhalb Jahre nach den Panama Papers haben Journalisten einen neuen Skandal um mögliche Steuertricks mithilfe von Briefkastenfirmen und Offshore-Konten aufgedeckt. Im Zentrum steht dieses Mal die Kanzlei Appleby.
Rund 470 Berufsträger, darunter 60 Partner, arbeiten weltweit für Appleby – die zehn Standorte der Sozietät befinden sich allesamt an bekannten Steueroasen: von den Bermudas über die Cayman Inseln bis hin zur Isle of Man und Jersey. In Branchenrankings belegte die Kanzlei in den vergangenen Jahren regelmäßig Spitzenpositionen für die Offshore-Beratung. 2015 hat Legal 500 die Sozietät als "Offshore-Kanzlei des Jahres" ausgezeichnet, 2016 erhielt sie im Rahmen der Global Fund Awards ebenfalls eine Auszeichnung für ihre Beratungstätigkeit im Offshore-Sektor.
Nun ist Appleby ins Zentrum eines neuen Skandals um Offshore-Konten und Briefkastenfirmen geraten. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) und das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) haben insgesamt 1,4 Terabyte an Daten ausgewertet, die zeigen, wie das Offshore-System zur Steuervermeidung genutzt wird. In den "Paradise Papers" tauchen die Namen von mehr als 120 Politikern aus 50 Ländern sowie von zahlreichen Unternehmern und Prominenten auf.
Der wichtigste Teil davon stamme von Appleby, schreibt die SZ. Ausgewertet wurden aber auch Daten des Treuhand-Unternehmens Asiaciti Trust mit Sitz in Singapur und von Unternehmensregistern aus 19 der intransparentesten Steueroasen, darunter die Isle of Man, Malta und die Bermudas.
Datenleck deckt Steuertricks von Unternehmen auf
Die E-Mails, Dokumente und weitere Dateien geben dem SZ-Bericht zufolge Einblicke in die interne Organisation von Appleby von den 1950ern bis 2016. Sie zeigen, wie manche Mandanten der Sozietät Briefkastenfirmen benutzt haben sollen, um kriminelles Verhalten zu vertuschen oder Geld aus dubiosen Quellen zu verstecken. Und sie zeigen auf, wie globale Unternehmen wie Apple, Facebook oder Nike im großen Stil Steuern vermeiden.
Die "Paradise Papers" gehen beispielsweise darauf ein, dass der amerikanische Handelsminister Wilbur Ross als Privatmann von Geschäften mit einem Unternehmen profitiert, das dem Kreml nahe steht. Ein Vertrauter des kanadischen Premiers Justin Trudeau soll in zweifelhafte Geschäfte mit Trusts verwickelt sein. Die Daten sollen außerdem zeigen, wie der Sportartikelhersteller Nike erst auf den Bermudas und später in den Niederlanden ein System aufbaute, um Steuern in Milliardenhöhe zu sparen.
In Deutschland werfen die "Paradise Papers" ein neues Licht auf das Steuerstrafverfahren um die Milliardärsfamilie Engelhorn, und sie zeigen laut Bericht, wie das Glücksspielunternehmen Gauselmann mit Hilfe der Appleby-Anwälte die Gesetze auf der Isle of Man nutzt, um im hierzulande überwiegend verbotenen Online-Glücksspiel tätig zu werden.
Appleby sieht kein Fehlverhalten
Appleby schreibt in einer Erklärung, die auch auf der Kanzlei-Website veröffentlicht wurde, dass man die Vorwürfe untersucht habe und nichts Unrechtmäßiges feststellen konnte. "Es gibt kein Fehlverhalten", bekräftigt die Sozietät. Die Veröffentlichungen seien ein "Flickenteppich von zusammenhanglosen Behauptungen" mit einer klaren politischen Agenda gegen das Offshore-System.
Tatsächlich sei vieles legal, was die Daten belegen, schreibt auch die SZ - etwa, dass internationale Unternehmen ihre Gewinne über Tochterfirmen in Steueroasen kleinrechnen. Allerdings ist schon seit Jahren bekannt, dass bei Appleby nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die SZ berichtet von mehreren internen Untersuchungen der Kanzlei, bei denen Regelverstöße und Nachlässigkeiten aufgedeckt wurden.
Aufsichtsbehörden wurden bereits aufmerksam
Auch die Aufsichtsbehörden hatten Appleby offensichtlich im Visier: 2015 habe etwa die Bermuda Monetary Authority nach einer Untersuchung unter anderem beklagt, dass die Kanzlei zu wenig über die Herkunft des Geldes ihrer Mandanten wisse, schreibt die SZ. Frühere Empfehlungen der Behörde seien nicht umgesetzt worden. 2013 moniert die Aufsichtsbehörde der Britischen Jungferninseln, dass Appleby in mehreren Bereichen nicht oder nur teilweise regelkonform operiere. Die Aufseher rügen unter anderem den laschen Umgang mit "politisch exponierten Personen", diese würden nicht oft genug überprüft.
Unterdessen hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach den Veröffentlichungen transparentere Steuerregeln in der Europäischen Union gefordert. "Nur so können wir auch weltweit glaubwürdig für mehr Steuergerechtigkeit eintreten", sagte er am Montag in Berlin. "Großunternehmen sollten transparenter machen müssen, wo sie wie viel Steuern zahlen", forderte der noch geschäftsführend amtierende Minister. "Wir müssen Steuerschlupflöcher innerhalb der EU schließen", sagte Maas weiter. "Das ist eine Frage der Gerechtigkeit."
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Paradise Papers: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25395 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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