Im Neubrandenburger Mordprozess um einen früheren SS-Sanitäter warfen die Richter dem Anwalt des Nebenklägers eine "narzisstisch dominierte Dummheit" vor. Strafbar war das nicht, entschied nun das LG.
Das Landgericht (LG) Neubrandenburg hat eine bereits zuvor vom Amtsgericht (AG) getroffene Entscheidung bestätigt, keinen Strafbefehl wegen des Verdachts der Beleidigung gegen drei Richter der Schwurgerichtskammer des LG zu erlassen. Das Verfahren gegen die Richter ist damit rechtskräftig beendet.
Die Staatsanwaltschaft Stralsund hatte den Richtern zur Last gelegt, den Rechtsanwalt des Nebenklägers in einem Strafverfahren gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Zafke beleidigt zu haben. Konkret hieß es in dem Beschluss der Kammer: "Soweit der Nebenklagevertreter die Entscheidung des 2. Strafsenats vom 20.02.1969 ignorierend und unter Verweis auf seine allein richtig seiende Ansicht in der in Aussicht gestellten Entscheidung der Kammer eine Rechtsbeugung sieht, ist das eine ersichtlich narzisstisch dominierte Dummheit." Das AG lehnte den Strafbefehlserlass ab. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein. Über diese hatte nun die Beschwerdekammer des LG zu entscheiden.
Dem Beschluss war ein hitzig ausgetragener Streit zwischen der Schwurgerichtskammer und dem Nebenklägervertreter um Rechtsauffassungen über die Zulassung der Nebenklage bzw. dessen Widerruf vorausgegangen. Dabei gerieten die Anschuldigungen gegen Zafke, dem Beihilfe zum Mord in 3.681 Fällen vorgeworfen wurde, in den Hintergrund.
Insgesamt drei Mal musste das Oberlandesgericht (OLG) Rostock einschreiten, das - entgegen der LG-Richter - die Nebenklageberechtigung der Brüder Walter und William Plywaski, deren Mutter Regina Plywaski im KZ Ausschwitz zu der Zeit ermordet wurde bejahte. Umstritten war, ob die Anklageschrift einen Tatvorwurf umfasse, der im Zusammenhang mit der Ermordung von Regina Plywaski stehe. Die Schwurgerichtskammer legte dabei eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs im viel diskutierten Fall Gröning anders als die Karlsruher Richter aus. Sowohl die Nebenklagevertreter als auch die Staatsanwaltschaft stellten daraufhin Befangenheitsanträge gegen die drei Richter. Das LG gab allen drei Befangenheitsanträgen statt. Der Anwalt eines anderen Nebenklägers hatte zudem Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gestellt, die Staatsanwaltschaft leitete jedoch keine Ermittlungen ein.
Richter müssen im "Kampf ums Recht" nicht alles aushalten
Letztendlich wurde der Prozess gegen Zafke allerdings wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Zu dem von der Staatsanwaltschaft beantragen Strafbefehl wegen Beleidigung und der Verhängung einer Geldstrafe kommt es nun ebenfalls nicht. Nach Ansicht der entscheidenden Kammer sei es bereits aufgrund der vorliegenden Einzelfallumstände fragwürdig, ob die Behauptung einer "narzisstisch dominierten" Handlungsweise ohne Weiteres als eine ehrverletzende Kundgabe der Missachtung aufzufassen sei.
Jedenfalls aber, so die Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung, sei die gewählte Formulierung gerechtfertigt, angesichts der bis dahin, auch durch die Nebenklägervertreter – auch medial - sehr aufgeheizten Stimmung und den unmittelbar vorangegangenen schriftlichen Äußerungen des Nebenklägervertreters gegenüber der Schwurgerichtskammer bis hin zum Vorwurf, die Richter würden das Verbrechen der Rechtsbeugung begehen.
Nach Ansicht der Beschwerdekammer mussten die Richter aufgrund der besonderen Einzelfallumstände in diesem Fall im "Kampf um das Recht" nicht alles aushalten, sondern durften zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen in der hier erfolgten Weise antworten.
acr/LTO-Redaktion
Kein Strafbefehl nach NS-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 07.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36919 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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