Die Justizminister der Länder haben die Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium scharf kritisiert. Sie fordern mehr Zeit für Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen – und eine Beteiligung an den Kosten für aufwendige Staatsschutzverfahren.
Eigentlich sollte die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder in Bremen sattfinden und extra auf drei statt zwei Tage verlängert werden. Schließlich hatte man sich schon im Frühjahr pandemiebedingt nur mit einer abgespeckten Tagesordnung per Videokonferenz getroffen.
Nun musste die geplante Präsenzveranstaltung abgesagt werden – und die für Donnerstag und Freitag angesetzte Videokonferenz war dann überraschend schon am Donnerstagnachmittag zu Ende, die Pressekonferenz wurde kurzfristig vorgezogen.
Man habe die Tagesordnung bereits abgearbeitet, teilte die Bremer Justizsenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) mit. Dabei war die gar nicht knapp ausgefallen: Immerhin 40 Themen standen am Donnerstagmorgen noch auf der Liste, 38 Beschlüsse wurden am Nachmittag veröffentlicht.
Dass es so schnell ging, dürfte auch daran gelegen haben, dass die Mehrheitsverhältnisse im Moment recht klar verteilt sind, die Union stellt neun der 16 Justizministerinnen und -minister. Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) erklärte nach der Konferenz, sie freue sich, dass sie gemeinsam mit ihren Amtskollegen, "die für uns wichtigen Themen vorangebracht" habe.
Insbesondere bei einem Vorschlag aus Thüringen, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, setzte sich die Union durch. Thüringens Vorschlag sah vor, vier Punkte im Grundgesetz zu etablieren: Die Grundrechtssubjektivität von Kindern, ein ergänzendes Staatsziel der Schaffung kindgerechter Lebensbedingungen, das Kindeswohlprinzip und Beteiligungsrechte des Kindes. Berlin, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen unterstützten den Vorschlag, die Unionsseite lehnte ihn jedoch ab, es handele sich dabei um bloße Symbolpolitik.
Kritik der Länder bei Lambrecht "angekommen"
Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nahm an der Konferenz teil. Ihr Ministerium war vorab scharf kritisiert worden: Berlin schicke zu viele Gesetzentwürfe mit zu kurzen Fristen für Stellungnahmen, hieß es seitens der Länder. Zudem lasse der Bundestag Initiativen der Länder oft einfach liegen, anstatt zumindest darüber zu beraten.
Die Justizministerinnen und -minister verabschiedeten einen Beschluss, in dem sie das Bundesjustizministerium (BMJV) auffordern, die Zusammenarbeit mit den Ländern zu verbessern. Lambrecht habe auf der Konferenz um Verständnis geworben und darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht viele Gesetzentwürfe eilbedürftig seien, so Schilling.
Die Botschaft der Länder sei aber bei der Bundesministerin "angekommen", sagte die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Die Grünen). "Wir sind ja auch bereit, mal mit knackigen Fristen zu arbeiten, aber in dieser Häufigkeit geht das nicht." Auch Kühne-Hörmann betonte, alle 16 Länder seien sich einig, dass die Kommunikation mit dem Bund verbessert werden müsse.
Bund soll Kosten für Staatsschutzverfahren übernehmen
Ein weiteres Anliegen an den Bund: Er soll sich an den Kosten für Staatsschutzverfahren beteiligen. Es geht dabei um Verfahren, in denen der Generalbundesanwalt Anklage erhebt – der ist zuständig für die Verfolgung von Staatsschutzdelikten und für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Geführt werden die Verfahren vor den Gerichten in den Ländern, teils mit erheblichem Aufwand. "Wir führen diese Verfahren für den Bund, aber das sind unsere Kosten, unser Personal, unsere Räumlichkeiten – wir mahnen seit Jahren an, dass diese Kosten erstattet werden müssen", kritisierte Kühne-Hörmann.
Die Justizministerkonferenz hatte das BMJV bereits 2018 aufgefordert, einen Gesetzentwurf ausarbeiten, der die Beteiligung des Bundes an den Kosten regelt. Das BMJV solle eine entsprechende Regelung möglichst noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen, heißt es nun. Vorsorglich will Bayern zudem eine Bundesratsinitiative vorbereiten, die die Länder unmittelbar zu Beginn der nächsten Legislaturperiode des Bundestags auf den Weg bringen wollen – auch an diesem Beispiel könnte sich also zeigen, ob der Bundestag die Anliegen der Länder künftig ernster nehmen will.
Fluggastrechte, Legal Tech, Zivilprozess, Stay on Board
Ein weiteres Thema, mit dem sich die Justizminister beschäftigten: Amtsgerichte, in deren Einzugsbereich ein größerer Flughafen liegt, können die vielen Fluggastklagen kaum noch bewältigen. Die Länder schlagen vor, die Unternehmen zu einer automatisierten Abwicklung von Fahrgastansprüchen zu verpflichten – in der Hoffnung, dass es dann zu weniger Rechtsstreitigkeiten kommt.
Zu dem kürzlich vom BMJV vorgelegten Gesetzentwurf, der Legal-Tech-Tools von Inkassodienstleistern regulieren soll, betonten die Justizminister, der Gesetzgeber müsse klarstellen, dass "das Kerngeschäft der Rechtsdienstleistung muss der Rechtsanwaltschaft vorbehalten" bleibe und Rechtssuchende ausreichend Informationen über die Qualität der Leistung erhielten.
Um die Themen Legal Tech, e-Justice und Digitalisierung des Zivilprozesses insgesamt zu bearbeiten, soll das BMJV eine Expertenkommission einsetzen.
Die Bundesjustizministerin hatte bereits im Oktober angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode eine Regelung auf den Weg zu bringen, um Top-Managern Auszeiten etwa für Mutterschutz, Elternzeit oder Pflege von Familienangehörigen zu ermöglichen – bisher haben Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder dazu keine Möglichkeit, ohne sich Haftungsrisiken auszusetzen. Die Justizministerkonferenz begrüßte das Vorhaben.
Videokonferenz "nicht optimal"
Man habe "konstruktiv und diszipliniert" getagt, betonte Schilling. Viele Punkte konnten kurzerhand abgestimmt werden, weil man sich schon vorab geeinigt hatte. Die Technik, das war der Video-Pressekonferenz anzumerken, funktionierte zwar, aber nicht ohne das übliche "Können mich jetzt alle hören?"
Die Hamburger Justizsenatorin Gallina bemerkte: "Immerhin waren alle da und es ist keiner rausgeflogen". Als Jumiko-"Neuling" – Gallina ist erst seit Juni dieses Jahres im Amt – freue sie sich aber besonders auf eine Präsenzveranstaltung im kommenden Jahr.
Die Kühne-Hörmann sagte nach der Konferenz: "Ich war ja schon bei vielen Justizkonferenzen dabei und wir haben oft sehr intensiv und auch juristisch in der Tiefe diskutiert. Das ist in diesem Format nicht möglich und das führt auch ein bisschen zu Frust." Angesichts der aktuellen Lage sei es richtig gewesen, die Konferenz online abzuhalten, aber grundsätzlich sei das "nicht das optimale Format".
Video-Justizministerkonferenz 2020: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43568 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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