Mit dem Pakt für den Rechtsstaat haben die Länder 220 Millionen Euro für die Justiz bekommen. Nun heißt es: Das reicht nicht. Vor der Justizministerkonferenz ist man sich aber nicht einig, was man vom Bund eigentlich fordern will.
220 Millionen Euro vom Bund, mindestens 2.000 neue Stellen an den Gerichten und Staatsanwaltschaften – das war der Deal zwischen Bund und Ländern, um den Personalmangel in den Griff zu bekommen. Das Ganze hieß natürlich nicht Deal, sondern "Pakt für den Rechtsstaat" und gerade haben beide Seiten offiziell festgestellt: Es hat funktioniert, die Länder haben sogar mehr Stellen geschaffen als vorgesehen, der Bund zahlt die Gelder aus.
Doch schon bevor es so weit war, forderte die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Die Grünen), den Pakt zu verlängern. Der Bund solle den Ländern erneut 220 Millionen Euro zur Verfügung stellen, das Geld reiche nicht aus, um die geschaffenen Stellen langfristig zu sichern, zudem fehle es an IT-Ausstattung und Netzinfrastruktur und Justizgebäude müssten saniert werden. Die Länder-Haushalte seien durch die Corona-Pandemie besonders belastet und könnten das nicht stemmen.
Nun ist die Neuauflage des Rechtsstaatspakts das Hauptthema auf der Justizministerkonferenz in der kommenden Woche. Der Zeitpunkt ist günstig, immerhin stehen im Herbst die Bundestagswahl und Koalitionsverhandlungen an, da wäre es hilfreich, wenn sich die Länder mit einer einheitlichen Forderung aufstellen. Auch der erste Pakt für den Rechtsstaat war Teil des Koalitionsvertrags, die Länder und Richterverbände hatten lange dafür geworben. Der Deutsche Richterbund spricht sich nun ebenfalls für eine Neuauflage des Rechtsstaatspaktes nach der Bundestagswahl aus.
Doch obwohl es um die schlichte Frage geht, was die Länder gerne vom Bund hätten – wenn auch damit nicht gesagt ist, dass sie es bekommen –, sind sich die Justizministerinnen und Justizminister erstaunlich uneinig. Mehr Geld ist zwar gern gesehen, aber wofür soll es eigentlich verwendet werden? Und wie nachhaltig ist es, sich von einem Rechtsstaatspakt zum nächsten zu hangeln?
Konkrete Zahlen wollen die Länder noch nicht nennen
Hamburg macht gemeinsam mit dem Justizminister von Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin (FDP), einen Beschlussvorschlag. Darin heißt es, die Länder sprächen sich "nachdrücklich für eine Fortschreibung und Intensivierung des Paktes aus" und man bitte die Bundesregierung "zeitnah in Verhandlungen" zu treten. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Das Geld vom Bund solle aber zum einen für Personalverstärkungen, zum anderen für die Digitalisierung der Justiz eingesetzt werden. Insbesondere müssten noch mehr Stellen an den Strafgerichten und Staatsanwaltschaften geschaffen werden – die Länder befürchten, dass insbesondere mit dem Gesetz gegen Hass und Hetze im Netz zahlreiche Strafverfahren auf die Gerichte zukommen.
Noch ist allerdings nicht ganz klar, wie sich die Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung dazu verhalten. Die hessisches Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) will jedenfalls lieber darauf setzen, die Digitalisierung in der Justiz voranzutreiben. Sie schlägt einen "Pakt für den Rechtsstaat 2.0" vor, der zumindest von Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt unterstützt wird.
Darin heißt es, die Digitalisierung der Justiz sei "ein zentrales Projekt", um den "Rechtsstaat fit für die Zukunft zu machen." Dazu gehöre etwa die Einführung der elektronischen Akte, eine bessere technische Ausstattung der Gerichte für Online-Verhandlungen, Weiterentwicklung der IT-Sicherheit, die Digitalisierung der Juristenausbildung, verstärkter Einsatz Künstlicher Intelligenz und ein Ausbau des mobilen Arbeitens. Kühne-Hörmann will dagegen nicht weitere Gelder für den Personalaufbau einfordern.
Die Finanzierung der Justiz ist grundsätzlich Aufgabe der Länder, auch die bisherigen Gelder aus dem Rechtsstaatspakt sind lediglich eine Anschubfinanzierung und können die Stellen an den Gerichten nicht langfristig finanzieren. Die Digitalisierung sei allerdings "Grundvoraussetzung für einen zukunftsfähigen Rechtsstaat", so Kühne-Hörmann. "Aufgrund der besonderen Bedeutung des Rechtsstaats für unsere Demokratie hat auch der Bund die Verantwortung, sich an den Kosten der Digitalisierung der Justiz zu beteiligen."
Hilfe für die Flughafengerichte
Vorerst will Hessen sich zudem dafür einsetzen, dass die sogenannten Flughafengerichte eine bessere Unterstützung bekommen. Dahinter steckt ein Problem, das seit Jahren bekannt ist: Amtsgerichte, zu deren Einzugsbereich ein großer Flughafen gehört, gehen in Klagen unter – in Hessen gehört dazu das Amtsgericht Frankfurt am Main. Das liegt vor allem an Legal-Tech-Plattformen wie Flightright, die Flugpassagieren anbieten, Entschädigungsansprüche schnell und unkompliziert geltend zu machen.
Das gelte weiterhin – auch wenn in der Corona-Pandemie der Flugverkehr vorerst eingebrochen ist. Es sei aber auch ein Beispiel dafür, wie man die Justiz mit digitalen Mitteln besser aufstellen könne, so Kühne-Hörmann: "Hier treffen sich wiederholende Sachverhalte in großer Stückzahl, die weitgehend automatisiert aufgearbeitet werden, auf die Justiz. Bei der Bewältigung der hohen Eingangszahlen können digitale Systeme zur Unterstützung der Richterinnen und Richter zukünftig eine große Rolle spielen."
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) solle deshalb prüfen, wie sich die gerichtlichen Abläufe im Zusammenhang mit standardisierbaren Klagen, z.B. nach der Fluggastrechteverordnung, vereinfachen ließen, heißt es in der Beschlussvorlage. Dabei könne es insbesondere um digitale Systeme zur Unterstützung der Richterinnen und Richter gehen und dafür erforderliche gesetzliche Anpassungen gehen.
Länder wollen mehr Geld vom Bund: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45187 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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