Für "Top-Gefährder" übernimmt die Bundesanwaltschaft die Koordination der Ermittlungen in den Ländern – und zieht weiter Lehren aus dem Fall Anis Amri. Notfalls sollen "Hochrisikopersonen" auch wegen Alltagskriminalität verhaftet werden.
Auch wenn das Jahr 2018 für die Bundesanwaltschaft im Bereich des islamistischen Terrorismus ruhiger verlief als das Vorjahr, zeigt sich der Chef der Behörde, Peter Frank, besorgt. 2018 haben die Strafverfolger in Karlsruhe 865 neue Verfahren in diesem Bereich eingeleitet, 2017 waren es noch 1031 Verfahren. "An der Bedrohungslage hat sich aber nichts geändert", sagte Frank beim Jahrespressempfang am Donnerstag in Karlsruhe.
Dabei verwies er etwa auf den mutmaßlich geplanten Anschlag in Köln mit einem Rizin-Sprengsatz. Im vergangenen Jahr hat die Bundesanwaltschaft auch weitere Lehren aus dem Fall Anis Amri gezogen, der am 19. Dezember 2016 einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz verübte. "Der Fall Anis Amri hat uns schmerzlich vor Augen geführt, dass der individuellen Gefährlichkeit einer Person eine größere Bedeutung beigemessen werden muss", sagte Frank.
Deshalb sei bei der Bundesanwaltschaft im Oktober 2018 die Terrorismusabteilung um ein weiteres Referat aufgestockt werden. Es soll sich mit dem "Gefährdermanagment" beschäftigen. Die Sicherheitsbehörden haben derzeit rund 760 Gefährder auf dem Schirm, 440 von ihnen halten sich aktuell in Deutschland auf.
Bundesanwaltschaft soll "Hochrisiko"-Ermittlungen koordinieren
Besondere Sorgen bereiten dem Generalbundesanwalt dabei die Fälle, in denen die Fakten nicht ausreichten, um jemanden wegen Terrorismusverdachts in Haft zu nehmen. "Das Ziel muss in diesen Fällen sein, vor allem sogenannte Top-Gefährder notfalls wegen Straftaten aus dem Bereich der Alltagskriminalität festzunehmen."
Im Fall von Anis Amri hat der Sonderermittler Bruno Jost den Sicherheitsbehörden unter anderem vorgeworfen, dass sie Amri nicht wegen Drogenhandels und gefälschter Ausweise inhaftiert hätten. Um eine gute Abstimmung auch zu solchen "Hochrisikopersonen" zu gewährleisten, koordiniere die Bundesanwaltschaft seit gut einem Jahr auch die Ermittlungen der Staatsschutzzentren in den Ländern.
Die Bundesanwaltschaft will zu einem "Bindeglied in die Länderjustiz" werden, das präventive Risikomanagement selbst soll bei der Polizei bleiben. Einer Rechtsgrundlage für die strukturellen Veränderungen brauche es nicht, so Frank. 2017 hätten die Länder den Beschluss gefasst, die Koordination an den Generalbundesanwalt zu übergeben.
Sorge vor Gewalt von "Rechts" und "Links"
Auch im Bereich des Terrorismus von "Rechts" gibt es laut Frank Anlass zur Besorgnis. Zwar sei die Anzahl der Anschläge auf Asylunterkünfte seit 2017 deutlich zurückgegangen. Andererseits habe ihn alarmiert, "wie schnell und breit sich die gewaltbereite rechtsextremistische Szene im Sommer letzten Jahres in Chemnitz mobilisiert hat."
Der Linksextremismus sei in den letzten Jahren präsenter geworden, Frank erinnerte an die Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in Hamburg. Zwar sei die Gewaltbereitschaft zweifelsohne nicht auf dem Niveau des Rechtsextremismus. Der Generalbundesanwalt kündigte aber an, die Behörde im Bereich "Links" strukturell neu aufzustellen. Geplant sei eine stärkere Durchdringung der Szene in Zusammenarbeit mit der Polizei und den Staatsanwaltschaften.
Generalbundesanwalt zu terroristischer Bedrohungslage: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33305 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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