Hätte, hätte, hätte: Die SPD-Fraktion veröffentlicht eine neue Idee, wie eine Rückkehr Maiers hätte verhindert werden können. Warum hat das Justizministerium den Vorschlag nicht rechtzeitig aufgegriffen? Und müssen Gesetze geändert werden?
Wird der Fall des rechtsextremen Justiz-Rückkehrers Jens Maier zur Belastungsprobe für die Koalitionspartner SPD und Grüne in der sächsischen Landesregierung? Am Dienstag hat die SPD-Fraktion ein eigenes Gutachten dazu veröffentlicht, was gegen die Rückkehr von Maier nach dem Ende seines Bundestagsmandats auf einen Richterposten hätte getan werden können. Es will einen groben Fehler in den Abläufen erkennen und es macht dafür eine Verantwortliche aus: Das Justizministerium des Landes, an dessen Spitze seit 2019 die Ministerin Katja Meier (Die Grünen) steht.
"Die Wiedereinsetzung von Jens Maier hätte verhindert werden können und müssen. Ein Gutachten, das im Auftrag der SPD-Fraktion erstellt wurde, zeigt, dass dies möglich gewesen wäre", sagte die Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Justiz Hanka Kliese.
Rückkehr verweigern und Klage abwarten?
Das 45-seitige Gutachten bringt eine neue Lösung ins Spiel: Dem Richter-Rückkehrer hätte man gar nicht erst einen neuen Arbeitsplatz am Gericht zuweisen sollen. Das widerspricht zwar seinem gesetzlichen Anspruch auf Rückkehr in den Dienst, aber das Ministerium hätte Fakten geschaffen und Maier hätte seinen Richterposten einklagen müssen.
Das Kalkül: Ein Rechtsstreit vor Gericht hätte gedauert – und die ganze Zeit über hätte Maier nicht auf der Richterbank gesessen. Die Verweigerung des Postens hätte sich laut Gutachten auch gut begründen lassen. Schon sein Antrag auf Rückkehr sei treuwidrig gewesen, denn mit der Rückführung könne nur rechnen, wer sich so verhalte, "dass eine erneute Verwendung im früheren Dienstverhältnis […] nicht aufgrund fehlender persönlicher Eignung ausgeschlossen ist", so das Gutachten. Erstellt hat es der ehemalige Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Dr. Torsten von Roetteken, der auch zum Beamtenrecht kommentiert. Laut Datum im Gutachten ist es am 12. März fertig geworden.
Hätte, hätte, hätte: Die Ergebnisse lesen sich alle im Konjunktiv, weil es – wie auch das Gutachten einräumt – nun zu spät ist. Als das sächsische Justizministerium Mitte Februar Maier einen Platz am Amtsgericht Dippoldiswalde zuwies, hatte es die Chance vertan, der das Gutachten nachgeht. Die SPD-Fraktion hat sich nun aber trotz vergebener Chance dazu entschlossen, das in Auftrag gegebene Gutachten am Dienstag zu veröffentlichen – inklusive kritischer Töne zum Vorgehen des Koalitionspartners.
Hat das Ministerium den Vorschlag ignoriert?
Offenbar war man sich in der sächsischen Kenia-Koalition lange nicht einig, wie man am besten vorgeht. Das grün-geführte Justizministerium zögerte, wohl auf der Suche nach einer Lösung, mit der man nichts falsch machen kann.
Aus der SPD-Fraktion heißt es, man habe dem Ministerium schon Anfang Februar vorgeschlagen, Maier die Wiedereinsetzung zu verweigern und das Ministerium auch darüber informiert, dass man ein Gutachten zu der Frage einholen wolle.
Eine Sprecherin des Justizministeriums sagte dazu gegenüber LTO, es seien "viele Ideen" an das Justizministerium herangetragen worden, aber der Vorschlag die Wiedereinsetzung mit Hinweis auf die Treuwidrigkeit zu verweigern – so wie es im Gutachten ausgeführt wird – habe nicht dazu gehört. "Selbst wenn wir diese Argumente gekannt hätten, hätten wir uns allerdings auch nicht für diesen Weg entschieden", so die Sprecherin. Sie betonte, das Justizministerium habe das Gutachten erst am vergangenen Montag erhalten: "Wir haben auch zu diesem Zeitpunkt erst erfahren, zu welchen Fragen es sich konkret verhält."
Da Maier mittlerweile wieder als Richter im Dienst ist, kann man aus dem Gutachten nunmehr wenig Konsequenzen ziehen. Der mit Abstand größte Koalitionspartner in Sachsen hält sich derweil bedeckt. In der CDU hat man sich schon Anfang Februar auf den Standpunkt gestellt, dass entweder das sächsische Justizministerium oder die entsprechende Dienststelle disziplinarisch tätig werden müsse. "Das jetzt eingeleitete Disziplinarverfahren des Landgerichtes Dresden trägt dem aus unserer Sicht so Rechnung", so ein Sprecher der Fraktion gegenüber LTO. Weiter will man sich in der CDU derzeit nicht äußern.
Ruhestand, Disziplinarverfahren, Richteranklage – wie geht es weiter?
Und so bleibt den Fraktionen und der Justizministerin nun erst einmal nur übrig, abzuwarten: Am Montag hat Maier beim Amtsgericht Dippoldiswalde seinen Dienst angetreten. Das sächsische Justizministerium setzt darauf, Maier in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. Darüber muss das Dienstgericht beim Landgericht Leipzig entscheiden. Wann damit gerechnet werden kann, dazu will eine Sprecherin des Gerichts keine Angaben machen. Eine Frist läuft nicht. Auch zu einem Eilantrag des Ministeriums, um Maier vorläufig die Amtsgeschäfte zu untersagen, steht eine Entscheidung weiter aus.
Daneben hat das Landgericht Dresden, dem das Amtsgericht Dippoldiswalde zugeordnet ist, ein Disziplinarverfahren gegen Maier eingeleitet. Ausgang und Zeitpunkt einer Entscheidung sind offen.
Weiterhin wollen die Fraktionen der Grünen und der SPD auf eine Richteranklage setzen, ein besonderes Klageverfahren, das bisher noch nie zur Anwendung gekommen ist. In der kommenden Woche soll dazu ein Gutachten des renommierten Berliner Verfassungsrechtsprofessors Christoph Möllers vorgestellt werden. Bei der CDU-Fraktion sieht man eine Richteranklage sehr skeptisch – und ohne den großen Koalitionspartner mit seinen 45 Sitzen dürfte es für SPD (zehn Sitze) und Grüne (zwölf Sitze) unmöglich werden, so einen Vorstoß im Landtag auf den Weg zu bringen.
SPD will mit Gesetzesänderungen für die Zukunft vorsorgen
In jedem Fall will die sächsische SPD-Fraktion Vorkehrungen für die Zukunft treffen, damit sich ein solcher Fall inklusive Chaos nicht wiederholt.
"Ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen dazu, was hätte getan werden können, ist es mir wichtig, für die Zukunft derartige Situationen zu vermeiden, indem wir gemeinsam die notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg bringen", so SPD-Justizsprecherin Kliese.
Dazu sollen im Land und im Bund Gesetze geändert werden. Richterinnen und Richter müssen für eine Rückführung nach einem Mandat gewährleisten, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, so ein Vorschlag zur Änderung des Abgeordnetengesetzes in Sachsen. Für rückkehrende Richterinnen und Richter soll es außerdem eine Regelüberprüfung geben, also eine Abfrage zur Person beim Verfassungsschutz. Das umstrittene Instrument ist auch bei der Einstellung von Beamten und Richterinnen sowie Staatsanwälten verstärkt in der Diskussion und teilweise bereits wieder eingeführt.
Rechter Richter wieder im Dienst: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47864 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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