Der EGMR stellt seinen Jahresbericht vor. Besonders viele neue Beschwerden richteten sich gegen Russland, die Türkei und die Ukraine. Außerdem kam 2019 erstmals das neue Gutachten-Verfahren am EGMR zum Einsatz.
Fast 60.000 Beschwerden sind derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig, rund ein Viertel davon betreffen Russland. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht des EGMR hervor. Besonders viele Verfahren richten sich außerdem gegen die Türkei (15,5 Prozent), die Ukraine (14,8 Prozent) und Rumänien (13,2 Prozent).
Die Anzahl anhängiger Beschwerden ist damit leicht angestiegen: Ende 2019 waren es 59.800, Ende 2018 noch 56.350 Beschwerden. Es seien insbesondere mehr Beschwerden gegen Bosnien-Herzegovina, Russland, die Türkei und die Ukraine eingereicht worden, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichtshofs.
Der EGMR hat im Laufe des vergangenen Jahres 884 Urteile verkündet und 38.480 Beschwerden für unzulässig erklärt oder die Beschwerde durch einen Einzelrichter, einen Ausschuss mit drei Richtern oder eine Kammer im Register des Gerichtshofs gestrichen. Acht Urteile bezogen sich auf Deutschland.
EGMR-Präsident Linos-Alexandre Sicilianos betonte, dass 2019 erstmals das neue Gutachten-Verfahren zur Anwendung kam. Dabei handelt es sich um eine Art Vorlageverfahren. Der französische Kassationsgerichtshof – das oberste Zivil- und Strafgericht in Frankreich – hatte den EGMR im Zusammenhang mit rechtlichen Fragen zur Leihmutterschaft um ein entsprechendes "beratendes Gutachten" gebeten. Dabei habe es sich um ein besonders schwieriges Thema gehandelt, so Sicilianos in einem Vorwort zu dem Jahresbericht, das dank der neuen Verfahrensvorschriften aber innerhalb von sechs Monaten beantwortet werden konnte.
Inzwischen habe man eine weitere Anfrage des armenischen Verfassungsgerichts erhalten. In Zukunft werde man unzweifelhaft weitere solcher Gutachten-Verfahren sehen, so Sicilianos. Bisher haben allerdings nur 14 Mitglieder des Europarats das 16. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert, in dem das Gutachten-Verfahren geregelt ist. Deutschland gehört bisher nicht dazu.
aka/LTO-Redaktion
Jahresbericht des EGMR: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39987 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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