Kritik wegen Unterstützung eines Demokratie-Wettbewerbs: AfD wirft BVerfG "man­gelnde Dis­tanz zur Politik vor"

von Hasso Suliak

10.05.2021

Das BVerfG hat sich als Partner für einen Demokratie-Wettbewerb zur Verfügung gestellt, in dem es um Menschenwürde, Diskriminierungsschutz und Meinungsfreiheit geht. Die AfD kritisiert das.

Die AfD im Bundestag kritisiert das Engagement des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für ein Demokratie-Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Diese hat anlässlich des 70. Geburtstags des Gerichts, laut bpb "oberste Instanz zum Schutze des Grundgesetzes", einen Preis zur Stärkung der Demokratie ausgeschrieben.

Unter dem Motto "Wir ist Plural" und der Leitfrage "Wie engagiert Ihr Euch für die demokratischen Werte des Grundgesetzes? " sollen insgesamt 15 Projekte mit Preisgeldern und Gewinnerpaketen ausgezeichnet werden. Die originellsten Projekte, so die bpb, werden mit bis zu 5.000 Euro und einem umfassenden "Gewinn-Paket für mehr öffentliche Sichtbarkeit" der Arbeit des jeweiligen Preisträgers ausgezeichnet. In der Jury befindet sich u.a. auch die Richterin des BVerfG, Dr. Sibylle Kessal-Wulf.

Am Wettbewerb teilnehmen können überparteiliche Träger, Vereine und Initiativen sowie gewerbliche Einrichtungen zum Beispiel aus dem Buchhandel, Einzelpersonen und Lokalmedien. Einzige Voraussetzung laut bpb: "Das Projekt ist bereits gestartet oder nicht älter als zwei Jahre und setzt sich aktiv und kreativ für eine lebendige und plurale Gesellschaft ein."

Vizepräsidentin des BVerfG ruft zur Teilnahme auf

Auf der Webseite des Projekts ruft die Vizepräsidentin des BVerfG, Prof. Dr. Doris König, explizit zur Teilnahme auf: "Gerade heute, wo in vielen Staaten – auch in Europa – Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Gewand des Populismus wiederkehren und eine Abkehr von Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit zu beobachten ist, brauchen wir jeden und jede Einzelne von ihnen, die oder der sich diesen bedrohlichen Entwicklungen entgegenstellt und für eine offene und tolerante Gesellschaft eintritt."

Die AfD sieht in der Unterstützung aus Karlsruhe eine unzulässige Parteinahme und Kampfansage gegen die eigene politische Ausrichtung: Schon wegen Gerichtspräsident Stephan Harbarth und Verfassungsrichter Peter Müller, die beide viele Jahre als führende CDU-Funktionäre tätig gewesen waren, bestehe seit längerer Zeit der Anschein mangelnder Distanz zur Politik, sagte AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner gegenüber LTO. "Nun aber auch noch 'Projekte' zu unterstützen, die ja möglicherweise irgendwann einmal verfassungsgerichtlich geprüft werden müssen, zeigt einmal mehr, dass sich dieses Gericht nicht als objektiver Sachwalter der Verfassung, sondern als Akteur auf der politischen Bühne sieht. Das erscheint einer breiten Akzeptanz eher abträglich", so Brandner.

Auch der rechtspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Roman Reusch, kritisiert das Karlsruher Gericht: "Als Justizmensch befremdet es mich über alle Maßen, dass das Bundesverfassungsgericht sich an einem Projekt der politischen Bildung beteiligen will. Dies ist schlicht nicht seine Aufgabe und hinterlässt schon von daher einen schlechten Beigeschmack." Richter, so der ehemalige leitende Berliner Oberstaatsanwalt, hätten sich in ihrer Amtsführung jedweder politischen Äußerung zu enthalten. "Hier rächt sich, dass nur eine Minderheit der Richter des Bundesverfassungsgerichts selbst aus der Richterschaft kommen und im Übrigen viele Politiker dort zu finden sind, die allem Anschein nach immer mal wieder Schwierigkeiten haben, aus ihrer alten Haut zu schlüpfen und sich die eines Richters überzuziehen."

Linke: "BVerfG gegen Angriffe der AfD verteidigen"

Im Gegensatz dazu sehen Vertreter anderer politischer Parteien im deutschen Bundestag das Engagement des BVerfG deutlich entspannter und können daran, wie etwa der verfassungspolitische Sprecher der Linken, Niema Movassat, "nichts Problematisches" erkennen.

"Im Gegenteil: Ich begrüße es außerordentlich, dass im Aufruftext zum Preis die rechtsextremen Anschläge von Hanau und Halle als Angriffe gegen die Werte der Demokratie benannt werden", so Movassat gegenüber LTO. Dass die AfD als "geistige Brandstifterin und Sympathisantin von Neonazis ein Problem mit dem Preis hat", sei keine Überraschung. "Die freiheitlichen Werte des Grundgesetzes sind eine Antwort auf die Gräuel der Nazis und damit auf die geistigen Väter der AfD", so der Linken-Politiker. Sein Parteifreund und rechtspolitischer Sprecher der Fraktion, Friedrich Straetmanns, würdigte das Engagement des BVerfG: "Seine 70 Lebensjahre merkt man dieser Institution nicht an und es ist unsere demokratische Aufgabe das Gericht, gegen die Angriffe der AFD zu verteidigen." Diese zeigten nur welch durchgreifende Probleme die AFD mit unserer demokratischen Verfassung habe.

Verwundert auf die Haltung der AfD, insbesondere den Aussagen Brandners, reagierte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul: "Wieso die Projekte zu den Werten der Demokratie einer Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden sollten, erschließt sich mir nicht".

Stephan Thomae, FDP-Fraktionsvize im Bundestag, bezeichnete die Kritik der AfD als "völlig überzogen und absolut deplatziert": Der Versuch, das Projekt durch die Verbindung zur Vita einzelner Richter zu diffamieren, sei offenbar von der Angst getrieben, selbst in negatives Scheinwerferlicht gerückt zu werden. "Projekte wie 'Wir sind Plural' dienen auch der besseren öffentlichen Wahrnehmung des Gerichts und seiner Funktionen im Gefüge der Verfassungsorgane", so Thomae.

Rechtspolitiker der GroKo äußerten sich bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht auf eine entsprechende LTO-Anfrage oder wollten, wie der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Johannes Fechner, explizit keine Stellungnahme abgeben.

Zitiervorschlag

Kritik wegen Unterstützung eines Demokratie-Wettbewerbs: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44928 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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