Anders als in fast allen EU-Ländern, gibt es in Deutschland keine Aufzeichnung der Hauptverhandlung im Strafverfahren. Das BMJV will das ändern, nun tagt erstmals eine Expertengruppe.
Die Expertengruppe des Bundesjustizministeriums (BMJV), die sich mit der Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung befassen soll, wird Mitte Februar das erste Mal tagen.
Eingeladen wurden Vertreter des Bundesgerichtshofs (BGH), des Generalbundesanwalts (GBA), des Deutschen Richterbunds (DRB), des Deutschen Anwaltvereins (DAV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sowie aus allen Bundesländern. Die Arbeitsgruppe soll sich in ihrer ersten Sitzung am 18./19. Februar 2020 auf das Arbeitsprogramm und den weiteren Ablauf verständigen. Das teilte eine Sprecherin des BMJV auf Anfrage von LTO mit. Die Expertengruppe solle "sowohl in rechtlicher als auch in technisch-organisatorischer Sicht die Grundlagen für ein künftiges Gesetzgebungsvorhaben schaffen". Ein konkreter Zeitplan stehe noch nicht fest, so das BMJV.
In Deutschland ist bisher - anders als in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten - keine umfassende Dokumentation der Hauptverhandlung im Strafverfahren vorgesehen. Was genau etwa der Angeklagte, ein Zeuge oder ein Sachverständiger gesagt haben, wird nicht protokolliert. Die Richter verlassen sich bei der Beweiswürdigung und der Begründung des Urteils auf ihre eigenen Mitschriften.
BMJV: "Das ist nicht mehr zeitgemäß"
Strafverteidiger fordern seit langem eine Reform, inzwischen gibt es aber auch an den Gerichten Fürsprecher. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMJV, Christian Lange, hatte im November vergangenen Jahres deutlich gemacht, dass er die aktuelle Situation für "nicht mehr zeitgemäß" hält.
Bisher sind allerdings noch viele Fragen offen: Soll es um eine Video-Aufzeichnung, eine reine Tonaufnahme oder um ein schriftliches Wortprotokoll gehen? Ist eine Dokumentation der Hauptverhandlung in allen erstinstanzlichen Strafverfahren sinnvoll oder soll sie etwa auf Landgerichte (LG) und Oberlandesgerichte (OLG) beschränkt bleiben? Und welche Auswirkungen hat die Dokumentation auf das Revisionsverfahren?
Anknüpfen kann die Expertengruppe an die Ergebnisse einer anderen Expertenkommission, die sich bereits 2015 ausführlich mit der Reform des Strafverfahrens befasst hatte. Sie hatte empfohlen, die Einführung einer audiovisuellen Dokumentation erstinstanzlicher Hauptverhandlungen vor dem LG und OLG zu prüfen und für Verfahren vor dem Amtsgericht die Möglichkeit zu schaffen, dass einzelne Vernehmungen auch audiovisuell protokolliert werden können.
aka/LTO-Redaktion
Aufzeichnung der Hauptverhandlung im Strafverfahren: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40047 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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