Am Sonntag will Barley ihr Entlassungsschreiben an die Kanzlerin abschicken. Zugleich scheint noch völlig offen, wer ihre Nachfolgerin wird – und auch werden will. Denn der Ministerwechsel steht unter ganz besonderen Vorzeichen.
Bei der SPD ist so manches offen vor der Europawahl, eins steht aber fest: Nach Sonntag wird es eine neue Justizministerin brauchen. Katarina Barley wird als SPD-Spitzendkandidatin bei der Europawahl noch am Wahlabend von ihrem Posten als Justizministerin zurücktreten. "Am 26. Mai ist Schluss", sagte Barley dem Redaktionsnetzwerk Deutschland diese Woche. "Mein Gesuch auf Entlassung als Justizministerin ist schon geschrieben. Ich werde es noch am Wahlabend der Bundeskanzlerin weiterleiten. Mein Wort drauf." Ihre Wohnung in Berlin habe sie bereits gekündigt, den Mietvertrag in Brüssel unterschrieben.
Das verschärft die Frage: Wie geht es an der Spitze des Justizministeriums am Montagmorgen nach der Wahl weiter? Noch gibt es keine offizielle Nachfolgerin und das mag auch daran liegen, dass die Nachbesetzung eine Gleichung mit vielen Unbekannten ist. Es geht nicht nur um die Frage, wer zukünftig an der Ministeriumsspitze stehen soll, sondern um gleich um ein ganzes Arrangement von Personalien. Und dann ist da auch noch die anstehende Europawahl mit ihren unabschätzbaren Auswirkungen auf die Bundespolitik.
Drei Namen, mindestens zwei Probleme
Bislang waren vor allem drei Juristinnen aus der SPD im engeren Rennen um den Ministerposten. Auf dem Papier als eine sehr gute Besetzung muss wohl die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl gelten. Sie wird von ihren Fraktions-Kollegen für ihre Kenntnisse in Sachen Innen- und Rechtspolitik geschätzt. Dreimal hat sie in Folge ein Bundestagsmandat gewonnen, sie kennt sich in der Berliner Welt der Rechtspolitik auf Bundesebene aus. Sie könnte wohl ohne große Einarbeitung im BMJV die Arbeit aufnehmen. Könnte. Denn es gibt ein Problem.
Högl wäre nämlich schon die zweite Berlinerin am Kabinettstisch, dort sitzt mit Familienministerin Franziska Giffey bereits eine Ministerin aus der Hauptstadt. Zwar werden Kritiker und Medien nicht müde zu betonen, dass Giffeys Doktorarbeit derzeit an der Freien Universität Berlin wegen Plagiatsverdacht überprüft wird. Ob die Unsicherheit bei dieser Ausgangslage aber ausreichen dürfte, um bereits quasi auf Vorrat eine zweite Berlinerin ins Kabinett zu holen, darf bezweifelt werden. Einiges deutet daraufhin, dass man bei der SPD um Giffey kämpfen wird.
Medienberichten zufolge soll im Berliner Willy-Brandt-Haus bei der SPD-Spitze bereits eine Favoritin gefunden worden sein, aber die letzte Zusage noch fehlen. Überhaupt stellt sich die Frage, wie attraktiv der Justizministerposten eigentlich gerade ist. Für die Bewerberinnen in der engeren Wahl wird ausschlaggebend sein, was sie für den Wechsel aufzugeben hätten. Vor allem in einer politischen Großwetterlage, in der unklar scheint, wie lange eine neue SPD-Justizministerin eigentlich die Geschäfte führen kann. Wer würde schon gerne nur "Übergangs-Justizministerin" werden, auf einem Posten also, der nur so lange sicher ist, wie es noch nicht zum großen Krach in der Großen Koalition gekommen ist?
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die GroKo noch einige Zeit hält, könnte die Vakanz an der Spitze des Justizministeriums immer noch dafür sorgen, dass das Haus zur Verhandlungsmasse eines größeren Umbaus unter den Ministerien wird. Der Rücktritt Barleys kommt mit der Europawahl zu einem Zeitpunkt, der als günstige Zäsur erscheint - für alle die, die nochmal über einen Wechsel in den Häusern nachdenken wollen.
Wie attraktiv ist der Ministerposten - und für wen?
Auffällig ist jedenfalls, dass sich keine Kandidatin bislang wirklich aktiv ins Spiel gebracht hat – im Gegenteil. Eine weitere Kandidatin, deren Name nach Barleys Rücktrittankündigung im vergangenen Herbst kursierte, war Stefanie Hubig, die zurzeit Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz ist. Für die 50-jährige frühere Staatsanwältin und Richterin spricht fachlich vieles, vor allem auch, dass Sie das BMJV gut kennt. Sie hat dort jahrelang Erfahrung sammeln können. Aber bereits im Februar gab Hubig bekannt, dass sie nicht nach Berlin wechseln werde, um Barleys Nachfolgerin zu werden.
Bliebe noch Nancy Faeser, die seit 2014 Generalsekretärin der hessischen SPD ist und innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. Der ehemaligen Rechtsanwältin dürfte zwar Erfahrung auf Bundesebene fehlen, an ihrer Arbeit gibt aber es wenig Kritik. Ob Faeser jedoch eine Karriere in der Hessen-SPD für das Bundesminister-Amt aufgeben würde, steht auf einem anderen Blatt.
Ein weiterer Name, der zur Zeit kursiert, ist der von Jana Schiedek; die Juristin leitet aktuell als Staatsrätin die Hamburger Kultur- und Medienbehörde. Von 2011 bis 2015 war sie in der Hansestadt Justizsenatorin. Denkbar wäre auch eine Kandidatin oder ein Kandidat aus dem Fachkreis des Ministeriums selbst, also etwa einer der Staatssekretäre.
Was passiert, wenn Barley ihr Schreiben an die Kanzlerin abschickt
Je parteipolitischer die Europawahl ausfallen wird, desto umständlicher dürfte sich das politische Stühlerücken gestalten. Würde etwa Faeser aus Wiesbaden nach Berlin wechseln, käme Bewegung in die Hessen-SPD.
Aber selbst wenn Barley noch am Wahlabend ihr Entlassungsgesuch an Angela Merkel auf den Weg bringt, hat sie damit noch nicht ihren Ministerposten verloren. Nach Art. 64 Abs. 1 GG muss auf Vorschlag des Bundeskanzlers bzw. der Kanzlerin schließlich der Bundespräsident einen Bundesminister entlassen. Die wirksame Entlassung wird also noch ein paar Tage auf sich warten lassen. So bliebe noch die Möglichkeit, dass ein anderes Ministerium die Führung des BMJV auf Zeit übernimmt. So hatte Barley 2017 auch für mehrere Monate das Arbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD) übernommen, die damals Fraktionschefin wurde.
Außerdem müsste jede neue Ministerin nach Art. 64 Abs. GG erstmal vor dem Bundestag vereidigt werden. Die nächste Sitzungswoche des Bundestags findet erst wieder im Juni statt, die darauf folgende beginnt sogar erst am 24. Juni. Es bleibt also nicht nur spannend, sondern auch noch etwas Zeit.
BMJV nach der Europawahl: . In: Legal Tribune Online, 24.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35591 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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