Das in Deutschland geltende Weisungsrecht der Justizminister ist europaweit einmalig – und schon seit langem in der Kritik. Kurz vor Beginn der Justizministerkonferenz kurbelt der Deutsche Richterbund die Diskussion neu an.
Die Justizminister:innen von Bund und Ländern sollen sich vom Weisungsrecht zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaften verabschieden. Dies fordert der Deutsche Richterbund (DRB) mit Blick auf die am Freitag anstehende Justizministerkonferenz in Berlin.
"Die Justizminister müssen sich endlich dazu durchringen, ihre aus dem vorletzten Jahrhundert stammenden Durchgriffsrechte auf konkrete Ermittlungen der Staatsanwaltschaften aufzugeben", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der dpa. Der Interessensverband der Richter:innen und Staatsanwält:innen gab zu bedenken: "Allein der böse Anschein, dass Minister Ermittlungen aus dem Hintergrund in die eine oder andere Richtung lenken könnten und Staatsanwälte am Gängelband der Politik laufen, erschüttert das Vertrauen in eine objektive Strafverfolgung."
Anders als in den meisten anderen EU-Staaten ist die Staatsanwaltschaft in Deutschland weisungsabhängig. Der Bundesjustizminister und die Justizminister:innen der Länder können den ihnen untergeordneten Staatsanwaltschaften Weisungen erteilen, auch in konkreten Einzelfällen. Solche Weisungen sind zwar selten, aber sie kommen vor.
Als Antwort auf die Entscheidungen des EuGH legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) 2021 einen Referentenentwurf zur Einschränkung des Weisungsrechts der Justizminister:innen gegenüber der Staatsanwaltschaft vor.
DRB: BMJV ignoriere das Thema - seit zwei Jahren
Auch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist eine Abkehr vom Status quo angelegt. Dort heißt es: "Entsprechend den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) passen wir das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften an." Die FDP, die mit Marco Buschmann den Bundesjustizminister stellt, hatte sich in der zurückliegenden Wahlperiode für eine solche Reform eingesetzt. Sie schlug damals vor, das sogenannte externe Weisungsrecht des Justizministers in Einzelfällen abzuschaffen. Die Staatsanwaltschaft sollten weiter einer Dienstaufsicht unterliegen, die jedoch nicht das Weisungsrecht von Justizverwaltungen in Bezug auf Einzelfälle umfassen sollte.
"Wenngleich die Ampel im Koalitionsvertrag eine Gesetzesänderung angekündigt hat, sitzt der Bundesjustizminister das Thema seit zwei Jahren aus", kritisierte der Richterbund. Gerade in einer Zeit, in der rechtspopulistische Parteien in Europa vielfach die Machtprobe mit der Justiz suchten, dürfe es "keine Einfallstore für einen politischen Missbrauch der Strafverfolgung geben", warnte er.
BMJV lässt Zeitplan weiter offen
In einem Bericht der EU-Kommission zu Deutschland heißt es: "Bezüglich der angekündigten Reform, mit der die Befugnis der Justizminister, Staatsanwälten in Einzelfällen Weisungen zu erteilen, neu geregelt werden soll, wurden bislang keine Schritte unternommen."
Das weitere Vorgehen werde derzeit geprüft, heißt es vom BMJV. Einen Zeitplan für die Umsetzung des Vorhabens konnte die Sprecherin des Bundesjustizministeriums gegenüber der dpa noch nicht nennen. Aus dem Ministerium hieß es, man könne sich an keinen Fall aus den vergangenen zehn Jahren erinnern, in dem das BMJV vom Weisungsrecht in Bezug auf konkrete Ermittlungen Gebrauch gemacht hätte.
dpa/mw/LTO-Redaktion
DRB will Weisungsrecht der Justizminister abschaffen: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53121 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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