Geschäftstüchtig oder mandantenmissbräuchlich? Strafverteidiger leihen ihren Mandanten für den Fototermin im Gerichtssaal Akten als Gesichtsschutz, beschriftet mit den Namen der Anwälte – und gern auch mal mit einer Stellenanzeige.
Der Angeklagte soll seine Mutter getötet, zerstückelt und verbrannt haben. Doch in der juristischen Twittergemeinde überrascht etwas anderes viel mehr als die grausame Tat, die seit Montag vor dem Landgericht Osnabrück verhandelt wird: Der Strafverteidiger hat seinem Mandanten eine Akte zur Verfügung gestellt, mit der dieser sein Gesicht bedecken kann, während die Pressevertreter ihre Fotos machen.
Es ist natürlich das Recht des Angeklagten, sein Gesicht zu bedecken, und auch, dass dazu kurzer Hand Akten verwendet werden, ist keine Besonderheit. Diese besondere Kladde ist allerdings auf der einen Seite beschriftet mit den Namen des Strafverteidigers und der Kanzlei, in der er tätig ist. Auf der anderen Seite steht eine Stellenanzeige: "Bürokraft gesucht" – samt einer Telefonnummer. Günstiger kann man eine Stellenanzeige wohl nicht bekommen. Aber ist das berufsrechtlich zulässig?
Quelle des Otten-Fotos, übrigens: https://t.co/1mwVS0NqOr
— Boris Rosenkranz (@der_rosenkranz) 4. Dezember 2018
Berufsrechtler: keine Bedenken wegen verbotener Anwaltswerbung
Während also die juristische Twittergemeinde kritisiert, der Mandant werde "als Litfaßsäule" und zu "Werbezwecken" missbraucht, bleibt der Geschäftsführer und Pressesprecher der Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln, Martin W. Huff, in diesem Fall entspannt: "Auf der Kladde wird in diesem Fall lediglich eine Aussage darüber getroffen, wer der Anwalt des Angeklagten ist. Das ist keine Werbung", meint Huff.
Die Kölner RAK, die das im Fall eines Anwalts, der seine Web-Adresse auf seine Robe sticken ließ, anders sah, hat in diesem Fall also keine Bedenken. Im Fall der bestickten Robe zog sie bis vor den Bundesgerichtshof (BGH). "Doch selbst diesen Fall hatte der BGH nicht als unzulässige Werbung eingeordnet", erklärt Huff. sondern nur festgestellt, dass eine Robe unbedruckt bleiben muss. Im Fall einer beschrifteten Kladde könne da erst recht nichts anderes gelten.
Auch die Stellenanzeige sei keine Werbung, die es zu untersagen gelte, schätzt Huff die Situation ein: "Etwas anders wäre es bei Formulierungen wie 'Ihr Rechtsanwalt in allen Lebenslagen'. Der bloße Aufruf, dass eine Bürokraft gesucht werde, ist ebenfalls als reine Information zu werten, sodass ich für die örtliche RAK keine Notwendigkeit sehe, tätig zu werden." Ein Richter sei jedoch stets frei, für seinen Gerichtssaal eine Ordnung zu bestimmen, nach der so etwas nicht gestattet ist, ergänzt Huff.
Der Rechtsanwalt selbst, der seinen Mandanten die Kladde zur Verfügung stellt, war bis zur Veröffentlichung dieses Artikels für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Fotos im Gerichtssaal: . In: Legal Tribune Online, 04.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32521 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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