2/2: Weitergabe an Mitwirkende erlaubt
Das neue Gesetz klärt viele Streitfragen und erleichtert das Outsourcing. In einem neuen § 203 Abs. 3 StGB wird die bislang fehlende "Weitergabebefugnis" geschaffen. Zwar hat der "berufsmäßige Gehilfe" aus Großmutters Zeiten die Reform überlebt. Allerdings steht jetzt ohne jeden Zweifel fest, dass der Anwalt Mandatsinformationen nicht nur an den "Gehilfen", sondern auch an "sonstige mitwirkende Personen" weitergeben darf. Dies ist eine solide Grundlage für die Einbeziehung von Dienstleistern in das Mandat. Die Weichen für ein risikofreies Outsourcing sind damit gestellt.
Zugleich wird das Berufsrecht geändert. Die bislang nur in der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) verankerte Verpflichtung des Anwalts, Mitarbeiter schriftlich zur Verschwiegenheit zu verpflichten, wird in die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) überführt. Zugleich werden in dem neuen § 43 e BRAO die Rahmenbedingungen geregelt, die der Anwalt zu beachten hat, wenn er Dienstleistern den Zugang zu Mandatsinformationen eröffnet. Die Dienstleister müssen sich gleichfalls – in Textform – zur Verschwiegenheit verpflichten.
Restrisiko und Diskriminierung
Das neue Gesetz ist ein großer Schritt nach vorne, aber keineswegs perfekt. Denn nach dem neuen § 203 Abs. 3 StGB ist die Preisgabe von Mandatsinformationen an "mitwirkende" Dienstleister nur gestattet, wenn sie "erforderlich" ist. Dies dürfte bedeuten, dass ein Anwalt IT-Dienstleister, E-Mail- und Cloud-Provider jederzeit mit Dienstleistungen beauftragen darf. Die einschränkende Voraussetzung der "Erforderlichkeit" lässt jedoch Raum für altbekannten Streit um Sicherheitsstandards und Verschlüsselungspflichten bei den Providern. Strafrechtliche Risiken bleiben bestehen.
Zudem enthält § 43 e Abs. 4 BRAO eine tiefe Verneigung vor der heimischen IT- und TK-Wirtschaft. Denn vor der Beauftragung ausländischer Dienstleister muss der Anwalt prüfen, ob der im Ausland bestehende Datenschutz "dem Schutz im Inland vergleichbar ist". Dies ist nicht nur praxisfern, sondern auch europarechtswidrig. IT-Dienstleister aus anderen EU-Mitgliedsstaaten werden ohne sachlichen Grund diskriminiert.
Trotz dieser Mängel dürfen wir Anwälte mit dem neuen Gesetz zufrieden sein. Wenn Anwaltskanzleien IT-Dienstleister und Übersetzungsbüros einschalten oder Cloud-Dienste nutzen, bleibt es bei Graubereichen und Risikozonen. Dennoch ist die arbeitsteilige Anwaltspraxis jetzt endlich im Straf- und Berufsrecht angekommen. Es liegt an uns, das neue Recht zeitgemäß und ohne Technophobie mit Leben zu erfüllen. Wenn die neuen Bestimmungen von Anwaltskammern, Kommentatoren und Gerichten mit Augenmaß ausgelegt werden, wird man zu praktikablen Ergebnissen kommen.
Der Autor Niko Härting ist Rechtsanwalt in Berlin (HÄRTING Rechtsanwälte) und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin).
Niko Härting, Reform des § 203 StGB: . In: Legal Tribune Online, 25.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24683 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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