AGH NRW zur Arbeitnehmerüberlassung von Juristen: Kein Rechts­an­walt auf Leih­basis

von Martin W. Huff

26.02.2021

Wer als Projektjurist im Wege der Arbeitnehmerüberlassung in einer Kanzlei tätig ist und für diese nach außen auftreten soll, kann nicht als Anwalt zugelassen werden. Martin W. Huff über ein Urteil des AGH NRW, das Klarheit schafft.

Es ist eine Marktnische, die aber zu wachsen scheint, wenn man sich die Angebote auf den Internetseiten der Anbieter ansieht: Die Arbeitnehmerüberlassung von Juristen. Einige Unternehmen haben sich inzwischen auf dieses Segment spezialisiert. Sie vermitteln an Unternehmen und Kanzleien sog. Projektjuristen, die Spitzen in der juristischen Tätigkeit abfangen sollen.

Die vermittelnden Unternehmen verfügen dabei über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie stellen bei sich die Projektjuristen an und verleihen diese an die Kunden. Die Kunden sind neben Unternehmen und kleineren Kanzleien auch Großkanzleien. Diese beschäftigen die ausgeliehenen Juristen gerne im Back-Office, also zur Zuarbeit für die Rechtsanwälte, damit diese Massenverfahren wie etwa die Prozesse um den Dieselskandal überhaupt angemessen bearbeiten können. Nicht vorgesehen war bisher, dass die Projektjuristen als zugelassene Rechtsanwälte nach außen für die entleihende Kanzlei auftreten.

Doch genau dies wollte eine deutsche Großkanzlei jetzt zusammen mit einem Volljuristen – wohl als Musterprozess – durchsetzen: Der Antragsteller beantragte bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) Düsseldorf seine Zulassung als Rechtsanwalt. Er gab an, seine Kanzlei bei einem Kollegen einrichten zu wollen. Zudem legte er einen Arbeitsvertrag mit einem Verleihunternehmen vor, dass ihn als Projektjuristen beschäftigen und an Kunden verleihen will. Als Stundenlohn war ein Tarifgehalt von 21,71 Euro brutto vereinbart, was bei rund 160 Stunden im Monat ein Gehalt von circa 3.500 Euro brutto bedeutet.

RAK Düsseldorf lehnt Anwaltszulassung ab

Der Antragsteller teilte zudem mit, dass ihn sein Arbeitgeber an eine deutsche Großkanzlei ausleihen wollte. Dort sollte er nicht nur zuarbeiten, sondern auch nach außen für die Kanzlei auftreten und unter anderem auch in deren Namen Gerichtstermine für die Mandanten wahrnehmen. Als der Antragsteller nicht bereit war, auf diese Möglichkeit zu verzichten und auch die Großkanzlei diese Erklärung nicht abgeben wollte, lehnte die RAK Düsseldorf die Zulassung ab.

Sie vertrat die Auffassung, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt nur in bestimmten Konstellationen als angestellter Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin tätig werden darf: Entweder angestellt in einer Kanzlei oder in sozietätsfähigen Zusammenschlüssen, z.B. mit Wirtschaftsprüferinnen und Steuerberatern. Oder seit der Neuregelung 2016 als Syndikusrechtsanwalt mit einer Zulassung für die konkrete Arbeitgeberin in Unternehmen oder Verbänden/Vereinen. Die entsprechenden Regelungen in § 46 Abs. 1 und 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) seien abschließend. Die vom Antragsteller geplante Tätigkeit als an eine Kanzlei ausgeliehener Rechtsanwalt in einem Dreiecksverhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber – Entleiher sei in der BRAO nicht vorgesehen. Daher sei die geplante Tätigkeit im Wege der Arbeitnehmerüberlassung unvereinbar mit dem Anwaltsberuf und die Zulassung gem. § 7 Nr. 8 BRAO zu versagen.

AGH: Abschließende Regelungen der BRAO

Diese Auffassung wird in der jetzt zugestellten Entscheidung vom Anwaltsgerichtshof (AGH) Nordrhein-Westfalen in Hamm geteilt (Urt. v. 15.1.2021 – 1 AGH 10/20). Die möglichen Angestelltentätigkeiten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts habe der Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälteabschließend geregelt. Den Außenauftritt für die Kanzlei wie ein angestellter Rechtsanwalt, der aber gerade nicht bei der Kanzlei angestellt ist, sei nicht vorgesehen.

Und laut AGH besteht für die Kanzlei auch keine Notwendigkeit, diesen Weg zu gehen. Sei ein Außenauftritt für die Kanzlei gewünscht, könne dies schließlich im Wege befristeter Beschäftigungsverhältnisse oder auch durch Tätigkeiten in Untervollmacht, etwa bei der Wahrnehmung von Gerichtsterminen, erreicht werden.

Die vom Kläger gewünschte Tätigkeit sei, so das Gericht, auch keine Syndikustätigkeit, da die anwaltliche Tätigkeit nicht für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber (den Verleiher) sondern für eine Kanzlei ausgeübt werde. Hätte der Gesetzgeberdies anders gewollt, hätte er dies in der BRAO regeln können.

Schließlich bedeute die Versagung der Zulassung auch keinen Verstoß gegen Art. 12 Grundgesetz, da dem Antragsteller die Berufsausübung nicht generell, sondern nur in der gewählten Konstruktion aus Gründen des Gemeinwohls untersagt wird. Daher durfte die Anwaltskammer eine entsprechende Erklärung von dem Antragsteller und dem Entleiher verlangen.

Per Berufung zum BGH?

Die Richter haben die Berufung gegen ihr Urteil zum Anwaltssenat des BGH nicht zugelassen. Dem Antragsteller – vertreten von der Großkanzlei, in der er tätigwerden sollte – hat jetzt die Möglichkeit, die Zulassung der Berufung beim BGH zu beantragen.

Das Urteil des AGH sorgt für wünschenswerte Klarheit. Auf der einen Seite ist es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten unbenommen, im Wege der Leiharbeit in Unternehmen und Kanzleien tätig zu werden, etwa um die eigene Kanzlei aufzubauen oder aber um in Projekten Erfahrungen zu sammeln, oft verbunden mit der Hoffnung, dauerhaft dort tätig werden zu dürfen. Dies allerdings nicht als Rechtsanwalt in Namen des Unternehmens oder der Kanzlei, sondern nur als Zuarbeiter.

Auf der anderen Seite muss es klar sein, in welchem konkreten Rechtsverhältnis ein Angestellter tätig wird. Dies geht nur im Status eines in § 46 BRAO vorgesehenen Angestelltenverhältnisses. Warum die Großkanzlei diesen Weg nicht gehen wollte, ist nicht so richtig erklärlich.

Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.

Zitiervorschlag

AGH NRW zur Arbeitnehmerüberlassung von Juristen: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44377 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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