Nach einem Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg muss die BRAK vollumfänglich nach dem IFG Auskünfte erteilen. Marvin Oppong zum Fall, der Entscheidung, den Konsequenzen und mit Reaktionen aus der Branche.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat einen Beschluss gefasst, der einen Paradigmenwechsel in der Frage der Auskunftspflicht der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bedeutet. Danach unterliegt die BRAK umfassend der Informationspflicht nach dem Bundesgesetz (Beschl. v. 24.05.2017, Az.: OVG 12 N 72.16).
Das Gesetz gibt jedermann das Recht, Informationen von Behörden, aber auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zu erhalten. Die BRAK hatte sich jahrelang geweigert, auf der Grundlage des IFG des Bundes Informationszugang zu gewähren, zahlreiche Antragsteller waren an dieser Blockadepraxis gescheitert. Der Brühler Rechtsanwalt Martin Riemer hatte auf der Grundlage des IFG die Herausgabe von Kopien eines Protokolls der Hauptversammlung der BRAK beantragt. Die BRAK gab einen Teil heraus, Riemer und die BRAK stritten sich um die verbliebenen geschwärzten Teile.
Als die BRAK einen weiteren Informationszugang ablehnte, brachte Riemer, der in der Vergangenheit schon mit anderen juristischen Scharmützeln auf sich aufmerksam machte, den Fall vor Gericht. Riemer gewann in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin, die Bundesrechtsanwaltskammer ging in Berufung.
Die Entscheidung des OVG
Das OVG entschied daraufhin: "Die Beklagte unterliegt de lege lata umfassend der Informationspflicht nach Maßgabe des Gesetzes." Der Antrag auf Zulassung der Berufung sei unbegründet. Die Rechtssache, so die Richter, habe entgegen der Ansicht der BRAK "keine grundsätzliche Bedeutung". Das Gesetz sowie die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung beantworte die zu entscheidende Rechtsfrage eindeutig.
So habe das VG auch zutreffend entschieden, dass die BRAK eine Behörde des Bundes im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sei. Das Gesetz lege keinen organisationsrechtlichen, sondern einen funktionellen Behördenbegriff zugrunde. Eine Behörde sei danach "jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt". Dies bestimme sich nach materiellen Kriterien, auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes komme es ebenso wenig an wie auf eine rechtliche Außenwirkung des Handelns der Kammer.
§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Informationsfreiheitsgesetzes, wonach sonstige Bundesorgane und -einrichtungen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, habe "eine rein deklaratorische Bedeutung" und stelle lediglich klar, "dass Institutionen, denen organisationsrechtlich keine Behördeneigenschaft zukommt, bezogen auf bestimmte Tätigkeitsfelder gleichwohl Behörden im funktionellen Sinne sein können". Diese Betrachtungsweise liege auch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zugrunde. Der Anwendungsbereich des Gesetzes beziehe sich allein auf die Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne. Auch ein Vertraulichkeitsschutz, auf den sich die BRAK im Zusammenhang mit dem Protokoll der Hauptversammlung berief, sei nicht gegeben.
"Eine Entscheidung, die für die Forschung wichtig ist"
Riemer erklärte zu dem Beschluss: "Eine Entscheidung, die für die Forschung wichtig ist – es geht um das Gemeinwohl, vor allem Forschungsarbeiten über das Berufsrecht." Die BRAK werde künftig durchsichtiger, nahbarer, ihre "Geheimniskrämerei" aufhören. "Jetzt sind gezielte Anfragen möglich, auch nach besonderer Lobbyarbeit, zum Beispiel bei bestimmten Gesetzesvorhaben", so der Rechtsanwalt weiter.
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff, begrüßte auf Anfrage die "klarstellende Entscheidung. Sie entspricht der bisherigen Rechtsauffassung der BfDI." Ein Sprecher Voßhoffs teilte mit: "Bei der BfDI sind in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt fünf Eingaben zur Frage des Informationszugangs bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingegangen." Die BfDI hatte das dem OVG-Beschluss vorausgegangene Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bereits in ihrem 5. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit aufgegriffen und näher kommentiert.
Die BRAK hatte im Vorfeld der OVG-Entscheidung in Berlin lobbyiert, um zu erreichen, dass sie keine Auskünfte nach dem IFG erteilen muss. Im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gab es sogar einen Antrag, der erreichen wollte, dass die BRAK vom Anwendungsbereich des IFG gänzlich ausgenommen wird. Die zugrundeliegende Argumentation lautete, die BRAK sei keine Behörde des Bundes und nehme keine öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben war. Sie unterliege als berufsständische Selbstverwaltungskörperschaft auch nur der Rechtsaufsicht und damit einer nur beschränkten Unterrichtungspflicht gegenüber dem Bundesjustizministerium. Es dürfe nicht sein, dass Dritte nach dem IFG mehr Informationen erhalten könnten als das Ministerium im Rahmen der Rechtsaufsicht.
BRAK unterliegt dem IFG: . In: Legal Tribune Online, 16.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23209 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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