Kölner Anwaltverein kritisiert DAV-Arbeit in Coronakrise: "Für die Anwälte kommt jede Hilfe zu früh"

von Pia Lorenz

26.03.2020

Bei den Hilfen für Kleinunternehmer habe die Politik die Anwälte vergessen, meint der Kölner Anwaltverein - und kritisiert den DAV dafür. Der kontert, effektive Lobbyarbeit finde nicht in den Medien, sondern bei den Entscheidungsträgern statt.

Der Kölner Anwaltverein (KAV) greift öffentlich seinen Dachverband an. "Kommen Sie aus Ihrer Komfortzone", heißt es in einem offenen Brief des Kölner Vorsitzenden Markus Trude vom Donnerstag an die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Edith Kindermann. 

Der KAV fordert den Deutschen Anwaltverein auf, die Interessen der Anwaltschaft "spür- und hörbar nach außen in der Politik zu vertreten." Dass bei der Anwaltschaft wieder einmal der Eindruck entstehe, von der Politik bei den Corona-Gesetzen "erneut völlig vergessen worden" zu sein, führen die Kölner Advokaten auch darauf zurück, dass von der Anwaltschaft und den Missständen in ihrem Bereich bisher in den Medien nichts zu hören gewesen sei. Bisher hätten die Anwälte "nicht wahrnehmen können, dass der Deutsche Anwaltverein mit aller Kraft für die Interessen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eintritt", heißt es in dem Brief weiter.

Der DAV betonte auf Anfrage von LTO, Maßstab seines Handelns sei nicht die Präsenz in den Medien, sondern die Effektivität der Maßnahmen. Der DAV wende sich daher mit seinen Schreiben, Eingaben und Stellungnahmen stets zunmittelbar an die Entscheidungsträger in den Landesregierungen und im Bund. Der Dachverband mit Sitz in Berlin verwies auf seine Eingaben der vergangenen Wochen zur Systemrelevanz der Anwälte, zu Liquiditätshilfen und Steueraufschüben für die Advokaten sowie zur Notwendigkeit einer Regelung zur Fristwahrung bei technischen Störungen des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, das vom 16. bis zum 23. März nicht (einwandfrei) funktionierte.

Kommt für die Anwälte jede Hilfe zu früh? 

Aus Sicht des Kölner Anwaltvereins wird die Anwaltschaft mit wenigen Ausnahmen keine Hilfen aus den beschlossenen Maßnahmenpaketen erhalten und die durch die Pandemie eintretenden erheblichen Verluste komplett allein tragen müssen, so der Regionalverein, der nach eigenen Angaben mehr als 4.300 Mitglieder hat, in seinem offenen Brief. Das führt der Vorsitzende darauf zurück, dass die von der Bundesregierung am Mittwoch beschlossenen Maßnahmen zum Schutz von Selbständigen für die Anwälte zum falschen Zeitpunkt kommen würden: Weil die Hilfen nur bis zum 30. April beantragt werden könnten, gingen die Gesetze an den Anwälten völlig vorbei. Deren offene Rechnungen würden derzeit nämlich noch bezahlt – die wirtschaftlichen Folgen des jetzt eintretenden Einbruchs an neuen Mandaten würden sich erst zeigen, wenn die Anwälte keine neuen Rechnungen mehr stellen könnten, also erst "deutlich nach dem 30. April 2020".

Nun sei es an der Zeit, dass etwas geschehe, so der Kölner Vorsitzende Trude: "Kommen Sie aus Ihrer Komfortzone. Bitte treten Sie für die Anwaltschaft ein. Als Dachverband ist dies in bundesweiten Fragen Ihre Aufgabe. Bitte erfüllen Sie diese! Die Kolleginnen und Kollegen erwarten Ihr wahrnehmbares Handeln", heißt es in dem offenen Brief.

Der DAV betonte auf LTO-Anfrage, sich mit großer Kraft sowohl für die Belange der Anwaltschaft als auch für die Wahrung der Rechte der Bürger in der gegenwärtigen Krisensituation einzusetzen. Der Dachverband, der sich aus den Mitgliedsbeiträgen der nach eigenen Angaben mehr als 62.000 Anwälte aus über 250 örtlichen Anwaltvereinen finanziert, teilt schon die Auffassung der Kölner Kollegen in der Sache nicht: "Wir glauben, dass die beschlossenen Finanzhilfen auch die Anwaltschaft erreichen", teilte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Swen Walentowski LTO mit. 

Bezüglich der erhobenen Vorwürfe verwies der DAV darauf, seit der vergangenen Woche "in über 80 Briefen" Forderungen an die Entscheidungsträger gestellt zu haben, auf welche die Länder in ihren Allgemeinverfügungen auch Rücksicht genommen hätten. Diese beträfen vor allem Liquiditätshilfen und Steueraufschübe für Anwälte, da viele kleine und mittlere Kanzleien nur knappe Liquidität für kurze Zeit hätten und Kredite wie die der Bundesregierung mit sieben Prozent Zinsen nicht helfen würden. Zudem müssten nicht nur Anwälte als systemrelevante Berufe zu beruflichen Zwecken ihr Zuhause verlassen dürfen, sondern auch Mandanten das Recht haben, zum Anwalt ihres Vertrauens zu gehen, ohne sich erklären zu müssen. Anwälte sowie ihre Mitarbeiter gehörten den systemrelevanten Berufen an und hätten einen Anspruch auf Notbetreuung ihrer Kinder.

Schließlich habe der DAV eine Nachholungsmöglichkeit nach dem Ende der beA-Störung gefordert und informiere seine Mitglieder fortlaufend mit Hinweisen für die Fortführung der Kanzleien und Mandate.

Zitiervorschlag

Kölner Anwaltverein kritisiert DAV-Arbeit in Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41105 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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