Anwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH tätig sind, können laut einer Entscheidung des BSG grundsätzlich sozialversicherungspflichtig sein. Unter welchen Voraussetzungen, erläutert Martin W. Huff.
Immer mehr Rechtsanwälte organisieren sich in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), zum 1.Januar 2022 gab es in Deutschland 1.194 solcher Gesellschaften. Dabei werden diejenigen, die eine solche Gesellschaft gründen, zumeist sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer der GmbH.
Das Bundessozialgericht (BSG) entschied nun am Dienstag, dass auch als Anwalt zugelassene Gesellschafter-Geschäftsführer unter bestimmten Bedingungen als Angestellte der GmbH im sozialversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen sind: Wenn sie nicht über 50 Prozent oder mehr an der Gesellschaft beteiligt sind oder über umfangreiche Möglichkeiten im Gesellschaftsvertrag verfügen, für sie negative Beschlüsse zu verhindern. Allein die Tatsache, dass es sich um eine anwaltliche Tätigkeit handelt, die Betroffenen also unabhängige Organe der Rechtspflege sind, steht dem nicht entgegen (Urt. v. 28.06.2022, Az. B 12 R 4/20 R).
Eigentlich ist die Tätigkeit als Rechtsanwalt die Ausübung eines freien Berufs, also eine selbständige Tätigkeit. Doch dies trifft in der anwaltlichen Wirklichkeit schon lange nicht mehr zu. Denn die Tätigkeit wird heute überwiegend im Angestelltenverhältnis ausgeübt. Schätzungen gehen davon aus, dass über 50 Prozent der niedergelassenen Rechtsanwälte in Kanzleien angestellt sind, weitere 25 Prozent sind als Syndikusanwälte in Unternehmen und Verbänden beschäftigt. Nur ca. rund 25 Prozent sind tatsächlich als Inhaber oder Partner von Sozietäten, in welcher Rechtsform auch immer, selbständig tätig.
Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
Wer als Rechtsanwalt angestellt ist, der unterliegt den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Für ihn muss also der Arbeitgeber Rentenbeiträge, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und – wenn die Einkünfte nicht über der Beitragsbemessungsgrenze liegen – auch zur Krankenversicherung zahlen. Dabei können, wenn eine entsprechende Befreiung beantragt worden ist, die Rentenversicherungsbeiträge an das anwaltliche Versorgungswerk fließen. Dabei orientieren sich diese Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze an dem tatsächlich gezahlten Gehalt.
Doch wie sieht es aus, wenn Rechtsanwälte sich als Gesellschafter in der Rechtsform einer RA-GmbH organisiert haben und zugleich zu Geschäftsführer dieser GmbH bestellt worden sind? Dem BSG zufolge gelten in diesem Fall die Regelungen gelten, die für jeden angestellten GmbH-Geschäftsführer entwickelt worden sind.
Konkret hatte das Gericht über einen Fall aus Mannheim zu entscheiden, in dem fünf Rechtsanwälte und Gesellschafter-Geschäftsführer einer RA-GmbH, die von der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe zugelassen waren, klagten. Ihre weisungsfreie und unabhängige Tätigkeit bestand in der Übernahme und die Ausführung von Anwaltsaufträgen, insbesondere die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte.
Sozialversicherungspflicht bestätigt
Die Anwälte hielten dabei zunächst jeweils 20 Prozent, nach Ausscheiden eines Klägers 25 Prozent der Gesellschaftsanteile. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung wurden mit einfacher Mehrheit gefasst. Ihre Geschäftsführerverträge sahen ein festes Monatsgehalt von brutto 6.500 Euro zuzüglich eines 13. Monatsgehalts und eine gewinnabhängige Vergütung (Tantieme) von 10 Prozent des tantiemepflichtigen Gewinns vor. Ferner bestanden Ansprüche auf Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Monaten sowie auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen.
Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund die Versicherungspflicht der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung fest. Aufgrund der Höhe der Vergütung bestand keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung mehr.
Die hiergegen gerichteten Klagen und Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Das LSG Baden-Württemberg hatte festgestellt, dass keiner der Kläger habe über eine Sperrminorität verfüge. Allein die Ausübung eines freien Berufs bewirke nicht ihre Selbstständigkeit. Die Kläger seien in den Betrieb der GmbH eingegliedert gewesen. Auch der jeweilige Geschäftsführervertrag spreche für eine abhängige Beschäftigung. Denn der Vertrag sehe unter anderem einen Urlaubsanspruch und eine Lohnfortzahlung vor.
Unabhängiger Anwaltsstatus irrelevant
Mit ihren Revisionen rügten die Kläger eine Verletzung von § 7 SGB IV. Die Vorinstanzen hätten nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie als Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege seien. Zudem gewährleiste die Bundesrechtsanwaltsordnung ausdrücklich die Unabhängigkeit von Rechtsanwälten, die Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft seien.
Dieser Argumentation ist das BSG nicht gefolgt und wies die Revisionen zurück. Aufgrund ihres Gesellschaftsanteils und der Regelungen im Gesellschaftsvertrag verfügten die Minderheitsgesellschafter nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft zu bestimmen. Die Geschäftsführerverträge enthielten zudem typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung. Daher seien die Geschäftsführer im Grundsatz sozialversicherungspflichtig.
Das BSG bleibt damit bei seiner Linie, die es bereits im Juli 2020 für die Gesellschafter einer Steuerberatungs-GmbH (Urt. v. 7.7.2020 – B 12 R 17/18 R) vertreten hatte. Danach ist der Status von Gesellschafter-Geschäftsführern allein nach der vertraglichen Gestaltung zu beurteilen und nicht nach der weisungsfreien Ausübung der freiberuflichen, hier der anwaltlichen, Tätigkeit.
Für die Praxis bedeutet dies: Nur dann, wenn die Geschäftsführer-Gesellschafter einer RA GmbH über eine Sperrminorität verfügen oder Mehrheitsgesellschafter sind, sind sie als nicht versicherungspflichtig anzusehen und müssen keine Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung entrichten.
Wie angestellte RAe zu behandeln
In allen anderen Fällen sind die Gesellschafter-Geschäftsführer wie angestellte Rechtsanwälte zu behandeln.
Dies müssen Rechtsanwälte bei der Gründung einer GmbH beachten. Insbesondere müssen dann auch Befreiungsanträge von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 6 SGB VI rechtzeitig zum Tätigkeitsbeginn als GmbH-Geschäftsführer gestellt werden. Und bei der Krankenversicherung kommt es dann alleine auf die Höhe des Gehalts an, ob man sich gesetzlich versichern muss oder privat versichern kann.
Im Ergebnis betrachten die Richter nur die Gesellschaftsform nicht die inhaltliche Tätigkeit in der Gesellschaft. Dies muss die Anwaltschaft im Ergebnis jetzt akzeptieren, da sowieso die meisten Rechtsanwälte angestellt sind. Als die Tatsache, dass sie einen freien Beruf ausüben, ändert an dieser Betrachtung nichts.
BSG zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Anwälten: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48887 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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