BSG zur vorübergehenden Befreiung von der Rentenversicherung: Weiter im Ver­sor­gungs­werk nur bei ansch­lie­ßendem Arbeits­ver­hältnis

von Martin W. Huff

13.03.2021

Ein Anwalt will von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten seines Versorgungswerk befreit bleiben, wenn er einmal befristet berufsfremd arbeitet.  Das BSG urteilte, wann das nicht geht, zeigt Martin W. Huff. 

Das Befreiungsrecht im Sozialgesetzbuch (SGB) Teil VI ist für Freiberufler und ihre Altersversorgung entscheidend. Nicht nur angestellte Rechtsanwälte und seit 2016 auch Syndikusrechtsanwälte können ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten ihres Versorgungswerks beantragen, sondern die Regelungen gelten auch für Steuerberater, Wirtschaftsprüferinnen, Ärzte, Tierärztinnen und Apotheker. Die Kernvorschrift ist der § 6 SGB VI, der das Befreiungsrecht regelt. Voraussetzung dafür ist immer eine berufsspezifische Tätigkeit. 

Wer einmal nach dieser Vorschrift befreit ist, möchte dies in aller Regel auch bleiben. Was ist aber, wenn man vorübergehend eine andere Tätigkeit ausübt? Dann möchte man die Befreiung nicht verlieren, besonders weil man in der gesetzlichen Rentenversicherung erst nach 60 Beitragsmonaten eine Anwartschaft erwirbt. Erreicht man diese Zeiten nicht, dann erhält man unter bestimmten Voraussetzungen nur seine Arbeitnehmeranteile zurück, nicht aber die Gelder, die der Arbeitgeber entrichtet hat. 

Daher sieht § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI eine Sonderregelung vor, über deren Auslegung am Donnerstag das Bundessozialgericht entschieden hat (BSG, Urt. v. 11.03.2021, Az. B 5 RE 2/20 R). Dort heißt es: „Sie (die Befreiung) erstreckt sich auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist…“ und zudem muss der Befreite auch weiterhin Pflichtmitglied in Kammer und Versorgungswerk bleiben. 

BSG: Keine Erstreckung über 7 Jahre ohne Anwaltszulassung

Der vom BSG entschiedene Fall war etwas verstrickt: Ein Rechtsanwalt war als Angestellter tätig und dafür seit 1999 von der Versicherungspflicht befreit. Er übte dann ab 2008 befristete Tätigkeiten im öffentlichen Dienst aus und war dafür – dies war früher üblich –mehrfach nacheinander befreit worden. Dazu kamen immer wieder Zeiten der Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2014 war der Jurist arbeitslos und begann dann im April 2015 eine neue befristete Tätigkeit bei einer Arbeitsagentur. 

Nachdem das BSG im Oktober 2012 durch Grundsatzurteile klargestellt hatte, dass eine Befreiung mit einer neuen Tätigkeit immer endet, lehnte diesmal die Deutsche Rentenversicherung Bund die Befreiung gem. § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI ab. Ihrer Ansicht nach lagen die Voraussetzungen für eine Erstreckung auf eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht mehr vor. Dagegen klagte der immer noch als Rechtsanwalt zugelassene Antragsteller und bekam zunächst beim SG und LSG recht. Die Voraussetzungen für eine Erstreckung lägen vor, da der Anwalt sich immer noch auf seine Befreiung aus dem Jahr 1999 und weitere erteilte Befreiungen stützen könne.

Dies sah das BSG jetzt nach dem ausführlichen Terminsbericht anders. Die anwaltliche Tätigkeit habe im Jahr 2008 geendet. Die im Jahr 2015 aufgenommene Tätigkeit schließe sich nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang an, eine Erstreckung der Befreiung sei nicht mehr möglich. 

Die Erstreckungsvorschrift soll bei einer Befristung den vorübergehenden Wechsel der Alterssicherungssysteme verhindern. Ein solcher Fall liege aber bei einem Rechtsanwalt, der nach § 47 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst auch seine Zulassung ruhen lassen muss, nicht mehr vor. Es fehle zudem der zeitliche Zusammenhang, so die Sozialrichter in Kassel.

Drei Monate dazwischen dürfen sein

Sie machen aber nebenbei eine sehr wichtige Feststellung: Sie billigen die Verwaltungspraxis der DRV, dass zwischen befreiter Tätigkeit und neuer berufsfremder Tätigkeit ein Zeitraum von drei Monaten liegen darf, die neue Tätigkeit muss sich nicht taggenau anschließen. 

Das Urteil des BSG ist in sich konsequent und auch zutreffend. Denn die Erstreckungsvorschrift ist wirklich eine Sondervorschrift für eng begrenzte Ausnahmefälle, die aber sinnvoll ist. So will der Gesetzgeber auch noch in diesem Jahr eine parallele Vorschrift für Syndikusrechtsanwälte schaffen, weil diese für eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit bisher fehlt. 

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis der Freiberufler: Wer aus einer befreiten Tätigkeit befristet in eine berufsfremde Tätigkeit wechselt, kann von der Versicherungspflicht befreit bleiben, wenn diese sich an die Befreiung mit einer Karenzfrist von drei Monaten anschließt. Zum Beispiel: Eine in einer Kanzlei angestellte Rechtsanwältin wird für ein Projekt für eine bestimmte Zeit Angestellte eines Mandanten. Ihre Tätigkeit in der Kanzlei endet am 31. März, die neue Tätigkeit beginnt, weil zum Beispiel mit einem Umzug verbunden, am 1. Mai und dauert zwei Jahre. Dann kann sie einen Antrag nach § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI stellen und hätte einen Anspruch auf die Erstreckung ihrer Befreiung. 

Danach wäre allerdings, wenn sie nicht wieder in eine befreiungsfähige Tätigkeit wechselt, also etwa in die Kanzlei zurückkehrt, Schluss mit der Befreiung. Dasselbe gilt im übrigen für eine berufsfremde Tätigkeit beim selben Arbeitgeber, etwa wenn ein Arzt im Pharmaunternehmen für zwei Jahre als Vorstandsassistent tätig wird.

Wer also aus einer befreiten Tätigkeit heraus für eine bestimmte Zeit wechselt, muss die Befreiungsfragen sorgfältig klären. So kann man viele Schwierigkeiten vermeiden. 

Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln. Er vertritt Syndikusjurist:innen in Auseinandersetzungen wegen Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht.

Zitiervorschlag

BSG zur vorübergehenden Befreiung von der Rentenversicherung: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44487 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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