BGH zu versäumter Frist: Bei Fax­störung müssen Anwälte nicht das beA nutzen

Gastbeitrag von Martin W. Huff

29.05.2020

Wenn der Faxversand nicht funktioniert, müssen Anwälte nicht auf das beA ausweichen. Es sei zu störungsanfällig, meint der BGH. Und definiert genau, wieviel Zeit Anwälte für die Faxversendung einkalkulieren müssen, zeigt Martin W. Huff.

Es ist unter Rechtsanwälten ein Dauerthema: Kurz vor Ende einer Frist klappt die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Fax nicht. Für Aufsehen gesorgt hatten zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden und des Landgerichts (LG) Krefeld, die Rechtsanwälte darauf verwiesen hatten, dass sie bei einem gestörten Faxversand auf das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ausweichen müssten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem eine klare Absage erteilt. Der X. Zivilsenat gewährt einem Patentanwalt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der versucht hatte,  einen fristgebundenen Schriftsatz ab 22:40 Uhr des Tages des Fristablaufes an den X. Senat zu faxen. Von den 39 Seiten des Schriftsatzes waren allerdings nur 35 vor Fristablauf eingegangen. Die letzten vier Seiten, die auch die Unterschrift des Patentanwalts enthielten, gingen erst nach null Uhr dort ein, weil die Sendung sehr lange dauerte. Das lag unstreitig nicht am Faxgerät des Patentanwalts, das funktionierte und in das er auch die richtige Empfängernummer eingegeben hatte.

Obwohl Patentanwälte gar nicht über ein beA verfügen, nutzt der BGH seine ausführlich begründete Entscheidung für ein deutliches Obiter dictum zum Anwaltspostfach (Beschl. vom 28.4.2020 – X ZR 60/19).

So spät dürfen Anwälte faxen

Der Patentanwalt habe die Frist nicht schuldhaft versäumt. Er habe alles getan, um sicherzustellen, dass sein Schriftsatz beim Bundespatentgericht rechtzeitig eingeht. Er durfte dabei auch, das stellt der BGH noch einmal klar, die prozessuale Frist bis zu ihrer Grenze ausnutzen. Daher durfte der Mann auch erst um 22:40 Uhr versuchen, seine Klage an das Gericht zu faxen. Unter normalen Umständen wäre, so die Richter, dass 39-seitige Fax vor Fristablauf bei dem Gericht eingegangen.

Dabei berechnen die Richter den Faxversand sehr genau: Für jede Seite müsse der Prozessbevollmächtigte eine Übermittlungszeit von 30 Sekunden ansetzen und, da das Faxgerät ja anderweitig belegt sein könnte, einen Sicherheitszuschlag von insgesamt 20 Minuten hinzurechnen. Hat der Versender diese Vorgaben eingehalten, treffe ihn kein Verschulden, wenn die Übermittlung wegen technischer Störungen am Empfangsgerät oder auf dem Übermittlungsweg länger dauert. Klappt innerhalb dieser Zeit die Übermittlung nicht, muss er weitere Versuche starten und diese auch dokumentieren.

Es sei also, so der Senat, davon auszugehen, dass die Übermittlung der 39 Seiten ca. 20 Minuten gedauert hätte. Nimmt man die 20 Minuten Sicherheitszuschlag hinzu, musste der Rechtsanwalt versuchen, das Fax 40 Minuten vor Fristablauf zu übersenden – er war um 22:40 Uhr auf der sicheren Seite. Da der Versand aus technischen Gründen nicht funktioniert, was unstreitig war, gewährt der Senat dem Patentanwalt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 

BGH bezweifelt, dass beA sicherer versendet als Fax

Doch die Bundesrichter nutzen den Fall für ein deutliches obiter dictum: Zunächst stellen sie fest, dass ein Patentanwalt, der nicht über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügt, nicht verpflichtet ist, kurz vor Fristablauf nach einem Rechtsanwalt zu suchen, der für ihn diesen Versand vornehmen kann.

Sie stellen außerdem generell klar, dass von einem Prozessbevollmächtigten, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, beim Scheitern des Faxversands nicht verlangt werden kann, dass er unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sichergestellt.

Dass Rechtsanwälte über das besondere elektronische Anwaltspostfach verfügen, dass sie nutzen können, sieht der BGH zurzeit noch nicht als notwendigen Versuch der Übermittlung an. Die Richter schreiben wörtlich: "Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, ob ein Rechtsanwalt, der sich für den Versand per Telefax entschieden hat, bei technischen Problemen kurz vor Fristablauf einen Übermittlungsversuch über das besondere elektronische Anwaltspostfach unternehmen muss (so aber OLG Dresden, MDR 2020,306)." Dieses Medium stehe zwar, so der Senat gemäß § 31 a Abs. 1 BRAO jedem Rechtsanwalt zur Verfügung. "Die relativ hohe Zahl an Störungsmeldungen, die für dieses System veröffentlicht werden, begründet aber Zweifel daran, ob es in seiner derzeitigen Form eine höhere Gewähr für eine erfolgreiche Übermittlung kurz vor Fristablauf bietet als ein Telefaxdienst. So sind auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer für März 2020 insgesamt zwölf Störungsmeldungen veröffentlicht, von denen sich vier auf Wartungsarbeiten und acht auf Anmeldeprobleme unbekannten Ursprung beziehen."

Wer faxen will, darf faxen

Der Beschluss der Bundesrichter ist wichtig für die gesamte Anwaltschaft. Der BGH bestätigt noch einmal, dass ein Rechtsanwalt bei technischen Problemen kurz vor Fristablauf den einmal gewählten Übermittlungsweg beibehalten darf. Wer das Fax nutzen will, darf das Fax nutzen – das übersehen Instanzgerichte oft.

Der BGH erteilt außerdem den Entscheidungen des OLG Dresden und des LG Krefeld eine deutliche Absage. Beide Gerichte hatten  die Anwaltschaft zur aktiven Nutzung des beA verpflichten wollen, obwohl die zurzeit noch nicht gar gesetzlich vorgeschrieben ist.

Anwälte müssen nicht dafür sorgen, dass sie bei einem gescheiterten Faxversuch noch in der Lage wären, auch zu späten Abendstunden oder am Wochenende die Übermittlung übers das besondere elektronische Anwaltspostfach zu starten.

Zum einen müssten dafür zum Zeitpunkt der Übermittlung alle technischen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere auch die EDV-Anlage der Kanzlei zur Verfügung stehen. Das ist in vielen Kanzlei nicht der Fall, weil in den Nachtstunden oft Datensicherungen laufen und eine aktive Nutzung des beA gar nicht möglich ist. Zum anderen sind auch die Wege der Übermittlung über das beA häufig nicht ganz so einfach wie die Sendung eines Faxes. Dem BGH ist zu danken, dass er für diese Klarheit gesorgt hat.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR Rechtsanwälte in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.

Zitiervorschlag

BGH zu versäumter Frist: . In: Legal Tribune Online, 29.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41759 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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