Heftiger Streit ums beA: Fehlt dem Anwaltspostfach die zuverlässige Bestätigung des Empfangs fristwahrender Schriftstücke durch Gerichte? Die BRAK dementiert, einige Anwälte sprechen von "bewusster Irreführung".
Wenige Monate vor Start der aktiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) für die Anwaltschaft zum 1.Januar 2022 eskaliert zwischen einigen Anwälten und der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ein Streit um die zuverlässige Postausgangs- und Fristenkontrolle bei der Benutzung des beA. In die Auseinandersetzung hat sich auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) eingeschaltet.
Die BRAK hatte diesen Vorwurf noch am Mittwoch in einer umfassenderen Stellungnahme zurückgewiesen und erklärt, die regelmäßig erzeugte Eingangsbestätigung einer beA-Nachricht beziehe sich auch auf die der Nachricht angehängten Dokumente. Eine automatisierte Eingangsbestätigung nehme nicht nur Bezug auf die beA-Nachricht an sich, "sondern bestätigt ausdrücklich in der Auflistung der übermittelten elektronischen Dokumente deren Eingang auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts, […] an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit". Die Auflistung der übermittelten Dateien in der Eingangsbestätigung sei "nicht nur schmückendes Beiwerk", sondern die automatisierte Eingangsbestätigung beziehe sich auch auf genau diese Dokumente.
Mehr, so die Kammer, bedürfe es nicht, "um den fristwahrenden Eingang des anwaltlichen Schriftsatzes bei Gericht nachzuweisen".
Anwalt: BRAK muss "katastrophalen Zustand so schnell wie möglich beenden"
Überzeugen konnte die BRAK mit dieser Stellungnahme die Petenten rund umFranz bislang nicht. Im Gegenteil: Franz legte am Donnerstag nach und bezichtigte die Kammer nach Veröffentlichung ihrer Erläuterungen im Gespräch mit LTO der "bewussten Irreführung". Die am Mittwoch allen Anwältinnen und Anwälten zugänglich gemachte Stellungnahme sei ein "dreister Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen".
Die Angaben darin seien nämlich falsch: "Die Anhänge werden in der Empfangsbestätigung der Gerichte nicht erwähnt. Die ‘Liste’, auf die die BRAK sich beruft, stammt aus dem beA-System, nicht aus der ‘Zustellantwort’, und ist zudem nicht signiert und damit nicht zum Nachweis von was auch immer geeignet. Erst recht ist sie nicht Teil der Bestätigung der Gerichte nach § 130a Abs. 5 S. 2 Zivilprozessordnung".
Anwälte, so Franz weiter, könnten sich künftig daher nicht drauf verlassen, dass ihnen von der BRAK über das beA als zugegangen bestätigte Nachrichten tatsächlich auch die Anhänge – und damit die fristwahrenden Dokumente – enthielten. "Systemfehler werden absehbar zu Lasten der Anwältinnnen und Anwälte ausgelegt - und sie sind bereits vorgekommen. Es wurden Nachrichten übermittelt, bei denen der Empfang der Anhänge durch das beA – also nicht die empfangende Stelle! – bestätigt wurde, obwohl das Gericht später erklärte, die Anhänge hätten bei der beA-Nachricht gefehlt", so Franz.
Die BRAK sei aufgerufen, diesen katastrophalen Zustand so schnell wie möglich zu beheben. "Für den Moment ist festzuhalten, dass das beA eine geringere Rechtssicherheit als das Telefax bietet."
Kammersprecherin weist Täuschungsvorwurf zurück
Den aktuellen technischen Zustand in irgendeiner Form zu "beheben", dafür sieht die BRAK indes keinen Anlass. Gegenüber LTO wies die Kammer die heftigen Vorwürfe gegen sie am Freitag zurück. "Weder von einer Irreführung noch von einer Täuschung" könne die Rede sein, so BRAK-Sprecherin Stephanie Beyrich.
"Die Gerichte bestätigen den Eingang der sogenannten Online-Services-Computer Interface-Nachricht (Anm. d Redaktion: sog. OSCI sind Protokollstandards für den sicheren elektronischen Nachrichtenaustausch über das Internet und andere Netze.) auf dem Intermediär des Gerichts durch eine vom Intermediär (Anm. d. Redaktion: der Empfangseinrichtung des Gerichts) signierte und für den Absender der ursprünglichen Nachricht verschlüsselte Zustellantwort." Teil der OSCI-Nachricht seien "sämtliche verschlüsselten Anhänge". Der Empfänger-Intermediär weise der OSCI-Nachricht zudem eine eindeutige OSCI-Nachrichten-ID zu.
Die BRAK-Sprecherin weiter: "Über die systemseitig vergebene OSCI-Nachrichten-ID wird die Klammer um alle Bestandteile einer Nachricht gebildet, deren Zugang die Gerichte mit der automatisierten Eingangsbestätigung bestätigen. Über die OSCI-Nachrichten-ID lassen sich folglich alle Nachrichtenbestandteile - u.a. Anlagen - eindeutig zuordnen."
Auf Grundlage dessen, so Beyrich, liste die beA-Webanwendung in der Nachrichtenansicht und dem Nachrichtenexport auf, welche Nachrichtenanhänge mit der Nachricht versandt wurden.
DAV richtet Prüfauftrag an die BRAK
Mit der technisch anspruchsvollen Thematik, die für die Anwaltschaft jedoch auch im Hinblick auf mögliche Haftungsrisiken von enormer Bedeutung ist, hat sich auch der DAV befasst.
Das beA, so DAV-Vize Martin Schafhausen gegenüber LTO am Freitag, biete bereits jetzt schon Informationen bzgl. des Zugangs beim Intermediär und des Datenumfangs. Zumindest nach dem Beweis des ersten Anscheins reiche dies aus. "Wenn die Nachricht darüber hinaus nach Auffassung des Gerichts nicht richtig angekommen ist, muss das Gericht weiter ermitteln", so Schafhausen.
Allerdings: So ganz wohl bei dem aktuellen Zustand – zumal kurz vor dem Start der aktiven Nutzungspflicht des beA für alle Anwältinnen und Anwälte - scheint aber auch dem DAV nicht zu sein. An die BRAK wendet sich der Anwaltverein daher mit einem expliziten Prüfauftrag:
"Um Unsicherheiten zu vermeiden, schlägt der DAV vor, zu prüfen, welche technischen Möglichkeiten bestehen, den Beweiswert der Zustellnachricht zu erhöhen; auch im Hinblick auf die Anlagen. Dies könnte etwa dadurch geschehen, den Zip-Ordner wieder elektronisch zu signieren."
Streit ums besondere elektronische Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46271 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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