Wer über das elektronische Anwaltspostfach Anhänge ans Gericht versendet, darf im Dateinamen auch Umlaute verwenden. Wenn diese vom Justizrechner dann nicht erkannt werden, darf dies jedenfalls nicht zum Fristversäumnis führen, so der BGH.
Über die praktischen Probleme bei der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) kann man sich auch rund fünf Monate nach Start der aktiven Nutzungspflicht nur die Augen reiben.
Am Dienstag veröffentlichte der Bundesgerichtshof (BGH) einen Beschluss, dessen Sachverhalt nur als "Justizposse" bezeichnet werden kann: Der fristgerechte Eingang einer Berufungsbegründung beim Gericht scheiterte wohl daran, dass die Justizrechner den Umlaut "ü" im Dateinamen "Berufungsbegründung" nicht erkannten und der eingereichte Schriftsatz deshalb beim Berufungsgericht nicht ankam (BGH, Beschl. v. 8.03.2022, Az. VI ZB 25/20).
Was war passiert? Ein Anwalt hatte nach einer für seine Mandantschaft nachteiligen Entscheidung des Landgerichts Würzburg zunächst über das beA fristgerecht Berufung eingelegt. Ebenfalls per beA und innerhalb der gesetzlichen Frist versandte der Anwalt später auch die Berufungsbegründung als Anlage an das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg – zumindest glaubte er das. Doch zu seiner Überraschung erhielt er einige Tage später einen Beschluss des OLG, wonach seine Berufungsbegründung angeblich bis zum Ablauf der Frist nicht ordnungsgemäß eingegangen sei. Es sei zwar eine Nachricht angekommen, diese aber sei ohne Inhalt, d.h. ohne die Anlage der Berufungsbegründung, angekommen.
OLG lehnt Wiedereinsetzung ab
Der Anwalt gab daraufhin im Interesse seiner Mandantschaft alles: Erneut übermittelte er die Berufungsbegründung - diesmal zusammen mit dem damaligen Sendeprotokoll - an das Berufungsgericht. Nachdem dieses ihm dann wiederum mitteilte, dass die betreffende Anlage fehle, verschickte er den Schriftsatz noch einmal per Fax. Schließlich versuchte er das OLG auch noch mittels "Screenshot der Nachrichtenanzeige aus dem Webportal der Bundesrechtsanwaltskammer zum beA" von seiner fristgerechten elektronischen Eingabe zu überzeugen.
Aber alle seine Bemühungen blieben ohne Erfolg: Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Das Rechtsmittel sei nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist begründet worden. Auch eine Wiedereinsetzung scheiterte. Ermittlungen hätten ergeben, dass vor Ablauf der Frist über das beA zwar eine Nachricht eingegangen sei, diese aber eben keinen Inhalt gehabt habe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme daher nicht in Betracht. Wiedereinsetzung sei von Amts wegen nur dann zu gewähren, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung für das Gericht offenkundig sei. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen, so das OLG. Insbesondere fehlten nähere Angaben dazu, dass ein anwaltliches Verschulden bei der Datenübertragung ausgeschlossen werden könne.
BGH: "Ein Verbot von Umlauten existiert nicht"
Was jedoch das OLG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigte: Interne IT-Experten ("Fachgruppe Justiz") hatten längst festgestellt, dass es zu Übermittlungsfehlern kommen könne, wenn sich in den Dateinamen der Anhänge Umlaute oder Sonderzeichen befänden. Die virtuelle Poststelle des Gerichts hätte damit so ihre Probleme, so ihre Einschätzung.
Vor diesem Hintergrund wollte der BGH nunmehr die Entscheidung des OLG nicht stehen lassen und verhalf der eingelegten Rechtsbeschwerde des Anwalts jetzt zum Erfolg. Es sei nicht ausgeschlossen, so der BGH, dass die Berufungsbegründung auf der für den Empfang elektronischer Dokumente bestimmten Einrichtung des Berufungsgerichts zwar gespeichert worden sei, dann aber von anderen Rechnern innerhalb des Gerichtsnetzes nicht abgeholt werden konnte. Ursache hierfür könne eben sein, dass die virtuelle Poststelle des Gerichts mit Umauten und Sonderzeichen nicht zurechtkomme.
Hätte der Anwalt also besser die Datei "Berufungsbegruendung" nennen müssen? Nein, stellte der BGH unmissverständlich klar. Der Wirksamkeit des Eingangs der über das beA übersandten Dokumente stände es nicht entgegen, wenn die mangelnde Weiterleitungsfähigkeit der Nachricht dadurch ausgelöst wurde, dass der Dateiname den Umlaut "ü" enthalte. Zwar müsse ein eingereichtes elektronisches Dokument nach § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Ein verbot von Umlauten sähe indes die maßgebliche Regelung (§ 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach) nicht vor.
Zur erneuten Entscheidung verwies der BGH die Sache zurück an das OLG Bamberg.
BGH zum elektronischen Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48396 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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