Streit um Veröffentlichung des Secunet-Gutachtens: BRAK lässt beA-Abschluss­be­richt zurück­gehen

von Hasso Suliak

06.06.2018

Wann kommt das beA? Ein Gutachten, das Aufschluss über einen neuen Starttermin hätte geben können, fällt bei der BRAK durch und soll nachgebessert werden. Zudem könnte sich das VG Berlin bald mit dem beA-Vergabeverfahren befassen.

Hinsichtlich des Abschlussberichts der beauftragten Firma Secunet habe sich "Anpassungsbedarf im Hinblick auf die Allgemeinverständlichkeit und den Konkretisierungsgrad" ergeben. Mit diesen Worten begründete die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) am Dienstag, dass sich die Entscheidungen in Sachen beA weiter verzögern.

Das externe Sicherheitsunternehmen Secunet untersucht die Sicherheitslücken des beA, auf welche Experten die BRAK in den vergangenen Monaten hingewiesen hatten. Am vergangenen Mittwoch hatte das IT-Sicherheitsunternehmen der BRAK ihren eigentlich fertigen Abschlussbericht zugeleitet. Das Präsidium der Kammer jedoch zeigte sich damit unzufrieden. Das Unternehmen soll nun innerhalb der kommenden zwei Wochen einen "ergänzten Abschlussbericht" vorlegen.

Was genau nach Ansicht der BRAK am Abschlussbericht der Secunet "angepasst" werden muss, ist unklar. In einem Zwischenbericht vom April hatte Secunet noch bestätigt, dass sie keine Fehler gefunden hätte, "die den grundlegenden Aufbau des beA-Systems in Frage stellen". Festgestellte Schwachstellen des beA-Systems könnten laut dem Unternehmen behoben werden.

Die BRAK hatte daraufhin den Entwickler des beA, den französischen IT-Dienstleister Atos, über das vorläufige Zwischenergebnis informiert. Ob der nunmehr vorgelegte Abschlussbericht doch grundlegende Fehler benennt und eine Inbetriebnahme des beA möglicherweise grundsätzlich gefährdet ist, wollte die BRAK auf LTO-Anfrage nicht bestätigen.

RAK Berlin auf Konfrontationskurs zur BRAK  

Über den Termin der Wiederinbetriebnahme entscheide die Präsidentenkonferenz und nicht das Präsidium der BRAK. Diesem stehe es nicht zu, "Entscheidungen der Hauptversammlung zu prädisponieren", hieß es auf Nachfrage von LTO. Die BRAK kündigte an, mit der Einladung zur Präsidentenkonferenz auch "zeitgleich" das Gutachten öffentlich zur Verfügung zu stellen – aber eben erst, "sobald dieses final vorliegt".

Mit diesem Vorgehen stößt die BRAK zumindest bei der RAK Berlin auf Unverständnis: "Die BRAK hält bedauerlicherweise daran fest, die Rechtsanwaltskammern erst gemeinsam mit der Öffentlichkeit zu informieren", kritisierte die Regionalkammer auf ihrer Website. Ein Vorwurf, der die BRAK verwundert: "Die RAK Berlin forderte zuvor stets selbst volle Transparenz auch gegenüber der Presseöffentlichkeit ein", sagte die Sprecherin der BRAK, Stephanie Beyrich, zu LTO. Die BRAK nehme nun aber "zur Kenntnis, dass die RAK Berlin ein Exklusivrecht auf Information beansprucht", so Beyrich. ‎Dies entspreche nicht dem Vorgehen der BRAK, die das Abschlussgutachten dem Transparenzgedanken folgend bewusst ‎zeitgleich den Kammerpräsidenten und der Öffentlichkeit zur Verfügung stelle.

Mit der erneuten Verzögerung des Gutachtens steht auch fest, dass dieses auf dem anstehenden Deutschen Anwaltstag (DAT) nicht wie vom ausrichtenden Deutschen Anwaltverein (DAV) erhofft diskutiert werden kann. Allerdings versprach Beyrich auf LTO-Nachfrage, dass die für das beA zuständige Geschäftsführerin der BRAK auf dem Anwaltstag im Rahmen einer Podiumsdiskussion "natürlich" auch Fragen zum Abschlussbericht beantworten werde. Der DAV war von BRAK-Präsident Ekkehart Schäfer zuletzt massiv angegangen worden, nachdem er die Veröffentlichung des Gutachtens bis zum Anwaltstag öffentlich gefordert hatte.

Vollwertiges Gutachten oder nur ein Abschlussbericht?

"Abschlussbericht" oder "Gutachten"? Anwälte, die sich mit der beA-Thematik seit Anbeginn umfassend auseinandersetzen, wie etwa der Initiator des sogenannten Transparenzantrages, Rechtsanwalt Michael Schinagl, macht die Wortwahl der BRAK mittlerweile stutzig. Der Unterschied zwischen einem Gutachten und einem Abschlussbericht sei "erheblich". Ein Abschlussbericht sei lediglich eine Zusammenfassung in der Art einer "executive summary". "Das mag dem BRAK-Präsidium reichen, genügt aber den interessierten Fachleuten, auch unter den Mitgliedern, nicht", so Schinagl. Ein "ordentliches Gutachten" benenne unter anderem den Gutachtenauftrag (und hier auch die Änderungen), die zur Verfügung gestellten und untersuchten Materialien, den Gang der Untersuchung und die Schlussfolgerungen.

Schinagl warf der BRAK erneut Intransparenz vor: Es sei davon auszugehen, dass "entgegen der bisherigen Transparenz-Ankündigung zur Veröffentlichung des Gutachtens nur ein vergleichsweise schmaler Abschlussbericht veröffentlicht wird. Die Teilnehmer des Anwaltstags tappen im Dunkeln." Auch die Kritik der RAK Berlin kann Schinagl nachvollziehen: Die regionalen Kammern seien schließlich die Entscheider zur Gestaltung des beA.

Fehler bei der Vergabe des beA an Atos?

Unterdessen droht der BRAK im Zusammenhang mit dem beA demnächst auch eine gerichtliche Auseinandersetzung. Der Leipziger Vergaberechtler, Christian Braun, kündigte eine Klage gegen die BRAK vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin an. Hintergrund ist das Vergabeverfahren beim beA, in dem am Ende der Dienstleister Atos das Rennen gemacht hatte. Dem Anwalt zufolge gebe es "erhebliche Anzeichen, dass die BRAK kein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt hat".  

Braun beabsichtigt, mit seiner Klage umfassende und vollständige Einsicht in die Ausschreibungsunterlagen auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zu erhalten. Außerdem will der Anwalt wissen, welche konkreten Zahlungen an Atos geflossen sind.  Braun kritisierte im Gespräch mit LTO, dass die BRAK bislang maßgebliche Unterlagen unter dem Vorwand der Vertraulichkeit zurückhalte. Gegen einen entsprechenden Widerspruchsbescheid werde er nun vorgehen.

Den Anwalt machen allerdings auch Unterlagen stutzig, die er bereits von der BRAK zur Verfügung gestellt bekommen hat: "Vier von sechs Vergabeberichten sind nicht unterschrieben." Allein dies widerspreche der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL), nach der erkennbar sein müsse, wer die Schriftstücke erstellt habe. Außerdem seien sie in unterschiedlichen Schriftarten verfasst, was ihm ebenfalls merkwürdig vorkomme. Braun hält es nicht für ausgeschlossen, dass Unterlagen erst nachträglich erstellt wurden.

"Das Vergabeverfahren ist gem. § 20 VOL/A von Anbeginn fortlaufend zu dokumentieren, sodass die einzelnen Stufen des Verfahrens,  die  einzelnen  Maßnahmen  sowie  die  Begründung  der  einzelnen  Entscheidungen festgehalten werden", so Braun. Die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen erfüllten diese Voraussetzungen nicht. "Die mangelhafte Dokumentation zeigt nur Lücken auf." Braun ist davon überzeugt, dass ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren den Anwälten, die letztlich über ihre Beiträge das beA finanzieren, Geld gespart hätte.

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Streit um Veröffentlichung des Secunet-Gutachtens: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28993 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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