BFH zur Steuerpflicht angestellter Anwälte: Kam­mer­bei­trag als Arbeits­lohn?

Gastbeitrag von Martin W. Huff

19.02.2021

Was zählt zum versteuernden Arbeitslohn angestellter Anwälte? Auch die Beiträge für die Berufshaftpflicht und das beA, wenn sie der Arbeitgeber übernimmt? Martin W. Huff erläutert zwei aktuelle BFH-Entscheidungen, die Licht ins Dunkel bringen.

Jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt muss eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben, die bestimmte Mindestdeckungssummen umfasst. Viele Kanzleien sind aber wesentlich höher versichert. Sie zahlen dabei in der Regel auch für ihre angestellten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Prämie für die Versicherung der Sozietät. Das gleiche meistens für die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt entschieden, wann diese Zahlungen vom einzelnen Rechtsanwalt als geldwerter Vorteil zu versteuern sind.

Immer mehr Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind angestellt tätig, sei es in Kanzleien oder Unternehmen. Ihr Anteil in Kanzleien dürfte bundesweit inzwischen bei 40 – 50 Prozent liegen. Dabei erklären sich viele Arbeitgeber dann bereit, die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung, zur Rechtsanwaltskammer zu Vereinen und Verbänden sowie die Kosten für das beA zu übernehmen.

Bei der Betriebsprüfung von Kanzleien ist immer wieder streitig, ob es sich bei diesen übernommenen Ausgaben für die angestellten Rechtsanwälte um einen geldwerten Vorteil oder um Betriebsausgaben des Arbeitgebers handelt. In zwei kürzlich veröffentlichten Urteilen hat der BFH dazu Stellung genommen und dabei insbesondere bei den Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung wichtige Abgrenzungen vorgenommen (Urt. v. 1.10.2020 – VI R 11/18 und 12/18). 

Entlohnungscharakter?

Zur Erläuterung: Bei der Beurteilung, ob diese vom Arbeitgeber übernommenen Kosten zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn zählt, kommt es aus darauf an, in wessen wesentlichem Interesse die Zahlung liegt. Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer etwas "für" seine Arbeitsleistung als Vorteil erhält. Damit etwa als Arbeitslohn gilt, muss der gewährte Vorteil Entlohnungscharakter für den Arbeitnehmer haben. Wenn die Kosten ganz überwiegend im Arbeitgeberinteresse liegen, ist der Vorteil für den Arbeitnehmer zu vernachlässigen. Es handelt sich dann um Betriebsausgaben des Arbeitgebers, die nicht der Lohnsteuer zu unterwerfen sind.

Wenn der Arbeitgeber allerdings die Kosten der Lohnsteuer unterwirft (und dann auch Sozialabgaben dafür zahlen muss) sind für den angestellten Rechtsanwalt die entsprechenden Kosten als Werbungskosten im Rahmen seiner nichtselbstständigen Tätigkeit abzugsfähig. Wenn er neben seiner Angestelltentätigkeit noch selber selbstständig tätig ist, etwa als Rechtsanwalt oder als Autor, dann stellen diese Kosten Betriebsausgaben dar.

In den beiden Verfahren vor dem BFH ging es um typische Fälle. Die betroffenen Kanzleien hatten für ihre angestellten Rechtsanwälte die Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung, den Kammerbeitrag, die Kosten für das beA und den Beitrag zum örtlichen Anwaltverein übernommen und diese Kosten nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen, sondern als Betriebsausgaben der Kanzlei verbucht.

Dies sahen die Finanzämter bei Betriebsprüfungen anders. Die Kosten seien als geldwerter Vorteil zu versteuern.

Die dagegen gerichteten Klagen der Kanzleien waren von den Finanzgerichten abgewiesen worden. Die Revisionen beim BFH führten nunmehr jedenfalls in Bezug auf die Prämien der Berufshaftpflichtversicherung zur Aufhebung der Urteile und zur Zurückverweisung an die Finanzgerichte. Der VI. Senat des BFH nahm damit erstmals dezidiert zur Frage Stellung, wann die Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts als geldwerter Vorteil anzusehen sind.  In Bezug auf die anderen Kosten bestätigte das Münchner Gericht dagegen die finanzgerichtlichen Entscheidungen, wonach diese als geldwerter Vorteil für die angestellte Rechtsanwältin oder den angestellten Rechtsanwalt anzusehen sind.

Reichtweite der Berufshaftpflichtversicherung 

Nach § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) muss jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abschließen. Eindeutig ist, dass nach dieser berufsrechtlichen Vorschrift jede Berufstätigkeit der Anwältin oder des Anwalts abgedeckt sein muss.

Für die Erfüllung der Versicherungspflicht nach § 51 BRAO ist es unerheblich, ob die einzelne Anwältin oder die Anwaltsgesellschaft versichert ist. Es muss dabei nur sichergestellt sein, dass jede in der Sozietät tätige Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt vollständigen Versicherungsschutz genießt, auch für Tätigkeiten, die außerhalb der Sozietät ausgeübt werden.

Allerdings versichern sich die meisten Kanzleien deutlich über den Mindestversicherungssummen des § 51 BRAO und auch die Summen, die etwa für eine Partnerschaftsgesellschaft vorgesehen sind. Die Prämien für jeden einzelnen Rechtsanwalt können hier mehrere tausend Euro pro Jahr erreichen.

BFH differenziert nach Umfang der Haftung

Der BFH nimmt deshalb jetzt zwei Differenzierungen vor: Er unterscheidet zwischen der Prämie für die Mindestversicherungssumme nach der BRAO und der von der Kanzlei veranlassten Höherversicherung und danach, ob der angestellte Rechtsanwalt im Außenverhältnis für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet.

Haftet er nach außen für eine Pflichtverletzung, ist ein Mandatsvertrag zwischen Kanzlei und Mandant einbezogen, dann ist der volle Anteil der Prämie, die auf ihn entfällt, als geldwerter Vorteil zu berücksichtigen. Nur dann, wenn keine Haftung vorgesehen, ist ist der Anteil an der Prämie für die Mindestversicherung nach der BRAO als geldwerter Vorteil zu berücksichtigen.

Der BFH begründet diese Differenzierungen damit, dass dann, wenn die Kanzlei sich höher versichert als erforderlich und der angestellte Rechtsanwalt nicht nach außen haftet, diese Kosten alleine dem Interesse des Arbeitgebers geschuldet sind und nicht für die Zulassung als solches für den angestellten Rechtsanwalt erforderlich ist. Die Kosten für die Mindestversicherung die die Kanzlei für den angestellten Rechtsanwalt trägt, sind dagegen dabei immer als geldwerter Vorteil anzusehen, da die Zulassung als Rechtsanwalt personen- und nicht tätigkeitsbezogen ist, schließlich kann dieser auch außerhalb des entsprechenden Arbeitsverhältnisses, z.B. als Angestellter in mehreren Kanzleien tätig werden.

Im Regelfall eines angestellten Rechtsanwalts, der mit nach außen für die Sozietät in Erscheinung tritt und bei dem nicht die Sozietät etwa eine GmbH, AG oder Partnerschaftsgesellschaft ist, ist die gesamte Prämie daher als geldwerter Vorteil anzusehen. Nur dann, wenn keine Haftung des angestellten Rechtsanwalts besteht, ist aufzuteilen zwischen der Prämie für die Mindestversicherung und den darüberhinausgehenden Anteil. Da in der Praxis die meisten angestellten Rechtsanwältinnen und -anwälte – zumindest als Scheinsozien – haften dürften, ist der auf sie entfallende Anteil der Prämie zu berücksichtigen.

In den dem BFH konkret zugrundeliegenden Fall müssen jetzt noch die Finanzgerichte klären, wie hoch die Mindestprämie war. Denn in der Regel wird in den Versicherungsverträgen nicht zwischen Mindestprämie und Höherversicherung unterschieden und nur eine Prämie ausgewiesen. Hier muss jetzt unter Umständen auch die Versicherung eine entsprechende Erklärung abgeben.

Kammerbeitrag, beA und Anwaltverein

Übernimmt der Arbeitgeber darüber hinaus neben der Prämie für die Berufshaftpflicht auch den Kammerbeitrag, die Kosten für das beA und sogar die Mitgliedsbeiträge für den Anwaltverein, so handelt es sich dabei immer um geldwerte Vorteile, die die betreffende Anwältin oder Anwalt versteuern muss. Damit bestätigt der BFH der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte. Das ist nachvollziehbar. Schließlich entstehen diese Kosten jeder zugelassenen Anwältin oder Anwalt  bzw. liegen, wie die Mitgliedschaft im Anwaltverein, jedenfalls nicht nur im Interesse des Arbeitgebers.

Die Entscheidungen des BFH liegen damit insgesamt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, nur bei der Berufshaftpflichtversicherung hat das Gericht die erwähnten Diifferenzierungen vorgenommen.  

Nicht entschieden hat das Münchner Gericht übrigens über Fragen, die sich ähnlich auch für Syndici stellen könnten: Da diese nur für ihren Arbeitgeber tätig sein dürfen, wären hier wohl übernommene Kosten für Haftpflicht, Kammerbeitrag etc. eher betriebsbezogen damit nicht als geldwerter Vorteil anzusehen.

Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln

Zitiervorschlag

BFH zur Steuerpflicht angestellter Anwälte: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44314 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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