Die Rolle der Syndikusrechtsanwälte wandelt sich: von der Rechts- hin zur Managementberatung. Zugleich nehmen strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Unternehmensjuristen zu. Darauf sind sie aber nicht vorbereitet, meint Christian Pelz.
Lange haben Syndikusrechtsanwälte dafür gekämpft: Gemäß § 46 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung sind sie nunmehr "echte" Rechtsanwälte. Gleichwohl verharren sie in einer Zwitterstellung: Die Rechtsberatung ist auf Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers beschränkt, sie dürfen weder diesen noch dessen Mitarbeiter in Straf- und Bußgeldsachen verteidigen und ihnen steht im Strafverfahren weder ein Zeugnisverweigerungsrecht zu noch sind sie vor Ermittlungsmaßnahmen oder Beschlagnahmen geschützt. Ein "vollwertiger" Anwalt sind sie daher nicht. Ob sie wie freiberufliche Rechtsanwälte auch als Organ der Rechtspflege angesehen werden, muss sich erst noch zeigen.
Bedeutung hat diese Frage auch vor dem Hintergrund, dass bereits seit einigen Jahren die Strafverfolgung von Unternehmen und Unternehmensleitern en vogue ist. Die Anzahl der Schwerpunktabteilungen innerhalb der Staatsanwaltschaften wurde ausgebaut, damit einher geht auch die Anzahl von Ermittlungsverfahren. Und zunehmend geraten dabei auch die Unternehmensjuristen in den Fokus von Ermittlungsbehörden. Dies hat mehrere Ursachen.
Beratung der Geschäftsführung: Grautöne unerwünscht
So gibt es kaum mehr ein neues Gesetz, das nicht von einem umfangreichen Katalog von Straf- und Bußgeldvorschriften flankiert wird. Unbestimmte Rechtsbegriffe, Generalklauseln und sonstige Unklarheiten tragen dazu bei, dass die richtige Anwendung des Rechts oftmals schwer vorauszusehen ist.
Vom Syndikus wird dabei erwartet, dass er der Geschäftsleitung auf die Frage nach der Zulässigkeit von Geschäftsmodellen oder einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen mit einem klaren Ja oder Nein antwortet. Risikohinweise oder Vorbehalte sind hierbei nicht erwünscht. Andererseits: Wer damit rechnet, dass bei einer unklaren Rechtslage oder offenen Rechtsfragen widerstreitende Auslegungen oder Interpretationen möglich sind, rechnet regelmäßig damit, dass Gerichte im Streitfall auch eine andere Rechtsauffassung vertreten können. Der Schritt zu einem zumindest bedingten Unrechtsbewusstsein ist nicht weit und die Möglichkeit, sich auf einen Verbotsirrtum, noch dazu einen unvermeidbaren zu berufen, rückt in weite Ferne.
Außerdem verleiten das Vordringen des Compliance-Gedankens und verstärkte Legalitätsanforderungen dazu, im Zweifel auf Nummer sicher zu gehen. Die Grenzen des Rechts auszutesten, wie in der Vergangenheit üblich, wird zunehmend zum Vabanque-Spiel. Während dem externen Berater in diesem Fall noch zu Gute gehalten wird, dass sein Wille darauf gerichtet sei, Rechtsrat zu erteilen und nicht Straftaten zu unterstützen, kann der Syndikusrechtsanwalt auf einen solchen Vertrauensvorschuss nicht zählen: Wegen seiner institutionellen Abhängigkeit und der Einbettung in das Unternehmen steht er schnell im Verdacht der Kumpanei und Komplizenschaft.
Gefahrbewusstsein der Syndizi nimmt nur langsam zu
Die zunehmende Anzahl von Ermittlungsverfahren gegen Unternehmensjuristen zeigt, dass die Inhouse-Welt einem Wandel unterworfen ist. Während Mitarbeiter der Steuerabteilung schon lange wissen, dass sie bei Verdacht steuerlicher Verfehlungen als Erstes zu den Beschuldigten zählen, nimmt dieses Gefahrbewusstsein bei Syndizi erst langsam zu.
Ein Beispiel: Die elektronische Auswertung umfangreicher Datenbestände ist auch bei den Ermittlungsbehörden heute Standard. Eine flüchtige, salopp geschriebene und vielleicht auch nur scherzhaft gemeinte E-Mail kann schnell zum Bumerang werden, wenn sie vor dem Hintergrund einer oftmals erst Jahre später aufkommenden Verdachtslage verschiedene Interpretationen zulässt. Deshalb sollte auch elektronische Kommunikation mit der gleichen Sorgfalt verfasst werden wie ein Brief.
In Grenzfällen kann es sogar sinnvoll sein, für eine gehörige Dokumentation der eigenen Tätigkeit zu sorgen, insbesondere festzuhalten, von welchem Sachverhalt man als Syndikus bei seiner rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist und wie der Rat für das weitere Vorgehen lautete. Im Zweifel sollte sich ein Syndikusanwalt durch Einholung externen Rechtsrats zusätzlich abzusichern oder den internen Mandanten gleich auf externe Berater verweisen.
Ein kleiner Schritt: Vom Berater zum Gehilfen einer Straftat
Erkennt ein Syndikus, dass bestimmte beabsichtigte Geschäftsvorfälle rechtswidrig sind, muss er darauf hinweisen. Dann gilt: Hände weg! Daran mitwirken, und sei es auch nur in minimalem Umfang, darf er auf keinen Fall. Das wäre bereits Beihilfe, denn diese erfordert weder einen nachgewiesenen Ursachenzusammenhang noch muss der Gehilfe alle Einzelheiten eines verbotenen Verhaltens kennen. Eine bloße Förderung, auch rein psychischer Natur, genügt.
Eine strafrechtliche Garantenstellung, die ihn dafür verantwortlichen machen würde, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten anderer Unternehmensmitarbeiter zu verhindern, hat der Syndikusrechtsanwalt aber regelmäßig nicht. Dies ist Aufgabe der Compliance-Abteilung. Bemerkt er jedoch später, dass er in der Hektik des Unternehmensalltags bei seiner Beurteilung bestimmte Aspekte übersehen hat, die zu einem anderen rechtlichen Ergebnis führen, darf er dies nicht für sich behalten, sondern muss das sofort offenbaren.
Für Angststarre besteht kein Grund. Sich aber über die Grenzen des Zulässigen zu vergewissern und das eigene Tun regelmäßig kritisch zu hinterfragen, ist für Unternehmensjuristen wichtiger denn je. Dies erst recht in einer Zeit, in der die Scheidelinien zwischen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und Compliance-Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Mitarbeitern immer wieder neu justiert werden.
Dr. Christian Pelz ist Partner der Kanzlei Noerr LLP und vertritt Unternehmen, Vorstände und Aufsichtsräte, leitende Mitarbeiter und Privatpersonen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder Bußgeldverfahren. Er berät Unternehmen in Compliance-Angelegenheiten und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Durchführung von Internal Investigations. Zudem unterstützt er Unternehmen bei Ermittlung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, die aus strafbaren Handlungen von Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Organen entstehen.
Strafverfolgung von Syndikusrechtsanwälten: . In: Legal Tribune Online, 29.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32409 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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