Ein Schadensachbearbeiter bei einem Versicherer arbeitet auch dann unabhängig und weisungsfrei, wenn er dabei allgemeine rechtliche Vorgaben beachtet. Anders wäre das nur bei einseitigen, weisungsähnlichen internen Vorgaben des Arbeitgebers.
"Die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird durch die Bindung an geltendes Recht nicht beeinträchtigt." Dieser bemerkenswerte Satz findet sich in der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 01.08.2017, Az. AnwZ (Brfg) 14/17) zum neuen Recht der Syndikusanwälte, das am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist.
Dass die Feststellung einer solchen Selbstverständlichkeit notwendig wurde, mutet beinahe symptomatisch an für das Verhalten der Deutschen Rentenversicherung (DRV), die es auch fast zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vielen Unternehmensjuristen weiterhin schwer macht, ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu erlangen - und damit in die Rechtsanwaltsversorgungswerke einzuzahlen.
Ein Dorn im Auge sind ihr offenbar weiterhin unter anderem die Schadensachbearbeiter bei Versicherern, auch wenn nach LTO-Informationen mittlerweile viele von ihnen als Syndikusanwälte zugelassen wurden. Die DRV will ausweislich der BGH-Entscheidung grundsätzlich geklärt wissen, ob eine unabhängige und weisungsfreie Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auch dann vorliegt, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Behandlung bestimmter Rechtsfragen bestehen, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadensachbearbeiter eines Versicherers der Fall ist. Eine Frage, die man sich stellen kann – allerdings zweckmäßigerweise dann, wenn es auch um die Zulassung eines richtliniengebundenen Schadensachbearbeiters bei einem Versicherer geht.
BGH: Verrechnungsgrundsätze mit Versicherungsbedingungen vergleichbar
Der vom BGH entschiedene Fall hingegen betraf einen Juristen, der als Syndikusrechtsanwalt bei dem Allgemeinen Kommunalen Haftpflichtschaden-Ausgleich (AKHA) in Köln angestellt ist. Dabei handelt es sich um einen Rückdeckungspool, in dem zahlreiche deutsche Kommunalversicherer zusammengeschlossen sind, kommunale Großschäden aus dem Bereich der allgemeinen Haftpflichtversicherung werden dort eingebracht.
Sie arbeiten auf der Grundlage sog. Verrechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse. An eben deren Einbeziehung in den Arbeitsvertrag des Syndikusanwalts störte sich die DRV. Mit ihrer Klage gegen die von der Anwaltskammer Köln erteilte Zulassung machte sie geltend, es sei nicht hinreichend bekannt, was diese Vorgaben regelten. Schließlich seien betriebsinterne Regelungen potenziell geeignet, die Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit der Schadensachbearbeiter zu beschränken.
Allerdings handelt es sich, das stellte nun der BGH klar, bei den Verrechnungsgrundsätzen gerade nicht um interne Regelungen, die weisungsähnlich die Tätigkeit des Schadensachbearbeiters beim AKHA beschränken würden. Der Anwaltssenat macht sich den Vortrag des Syndikusanwalts zu eigen, dass die Verrechnungsgrundsätze, die regeln, was der AKHA zur Umlage bringen kann, mit Versicherungsbedingungen vergleichbar sind.
Ein Spezialfall, aber mit recht klarer Tendenz
Damit handelt es sich nicht um "allein arbeitsrechtlich relevante Regelungen zur Auslegung der Rechtslage, deren Inhalte und Dichte vom Arbeitgeber des Syndikusanwalts – ähnlich einer allgemeinen Weisung – ohne Mitwirkung Dritter einseitig bestimmt werden", heißt es in dem Urteil, das LTO vorliegt. Die zwischen Erst- und Rückversicherer vereinbarten Grundsätze seien schlicht allgemein geltende Regeln, die auch ein externer, vom AKHA eingeschalteter Anwalt zu beachten und seiner – freien und ungebundenen – Analyse der Rechtsgrundlage zugrunde zu legen hätte, so die Anwaltsrichter.
Es ist ein sehr spezieller Fall. Einmal mehr hätte man sich mit Blick auf die zahlreichen betroffenen Juristen, die als Sachbearbeiter bei Versicherern tätig sind, einen etwas verallgemeinerungsfähigeren Sachverhalt gewünscht.
Aus dem Vergleich mit Versicherungsbedingungen, die Grundlage der Tätigkeit aller Sachbearbeiter bei Versicherern sind, darf man sicherlich schließen, dass der Senat ihrer Anerkennung als selbständig und eigenverantwortlich arbeitende Syndikusrechtsanwälte positiv gegenüber steht. Aber der BGH weist auch darauf hin, dass der Fall des Kölner Unternehmensjuristen sich gerade nicht eignet, um ein Grundsatzurteil zu den sog. richtliniengebundenen Schadensachbearbeitern bei Versicherern zu fällen. Nach LTO-Informationen dürfte es allerdings nicht mehr allzu lange dauern, bis Karlsruhe Gelegenheit zu einer grundsätzlicheren Aussage bekommt.
Pia Lorenz, Erste BGH-Entscheidung zum neuen Recht der Syndikusanwälte: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24141 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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