Als Anwalt in der Erotikbranche

Ein delikates Mandat

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 4 Minuten
Böse Zungen behaupten ja, Jura sei trocken und spröde. Zumindest auf die Arbeit von Rechtsanwalt Uwe Kaltenberg trifft das bestimmt nicht zu – eher schon könnte man sie als schlüpfrig bezeichnen. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Erotikhandel e.V., geführt von Constantin Baron van Lijnden.

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Uwe Kaltenberg macht irgendetwas richtig. Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der gelernte Volljurist mit Pornos, Sex-Spielzeug und Reizwäsche und wird obendrein dafür bezahlt. Das kommt in der Vorstellung so manches Examenskandidaten mit aktiver Libido einem Traumjob womöglich ziemlich nahe. Doch Kaltenberg winkt ab: "Wie auch bei jedem anderen Beruf ist eine gewisse innere Distanz zur Materie sicher von Vorteil. Man sollte jedenfalls nicht nur deshalb in diesem Gewerbe anfangen, weil man dessen Erzeugnisse privat gerne konsumiert." Also doch mal wieder alles viel komplizierter als gedacht – verdammt. Aber was genau macht die Arbeit eines Anwaltes in der Erotikbranche eigentlich aus? "Früher lag der Schwerpunkt auf der Prüfung von pornographischen Filmen", erklärt Kaltenberg. "Bestimmte Dinge dürfen von Gesetzes wegen nicht gezeigt werden – insbesondere Gewaltdarstellung ist nur in einem gewissen Rahmen erlaubt. Das bedarf dann gerade bei BDSM- (bondage, domination, sadism & masochism, Anm. d. Red.) Produktionen schon mal einer juristischen Begutachtung."

Der Niedergang des deutschen Pornos

Ein weiteres großes Thema waren vor allem in den 80ern und 90ern die sog. Pornokinos, deren Ausstrahlung erotischer Filme eine Reihe urheberrechtlicher Fragen mit sich brachte. Heute hingegen sind diese Etablissements weitgehend ausgestorben, und auch die Filmstudios kranken an deutlich sinkenden Umsatz- und Produktionszahlen. Droht dem deutschen Porno also womöglich das baldige Ende? "Ganz so dramatisch ist die Lage nicht", meint Kaltenberg. "Aber den Filmproduzenten geht es definitiv schlechter als noch vor 10 oder 20 Jahren. Nicht zuletzt liegt das natürlich an der Verfügbarkeit von einschlägigen Streaming-Portalen, die entsprechende Videos illegal kostenlos im Internet anbieten." Das Problem ist aus der Musik- und (nicht-pornographischen) Filmindustrie hinreichend bekannt, und in seinem Fahrwasser ergeben sich für den geneigten Anwalt einträgliche Möglichkeiten zum Tätigwerden im Interesse der gebeutelten Mandantschaft: So gibt es einige Kanzleien, deren Spezialgebiet das Versenden von Abmahnungen an Konsumenten urheberrechtlich geschützter pornographischer Werke ist. "Die Rechnung geht aber nur zur Hälfte auf", erklärt mir Kaltenberg. "Die Abgemahnten zahlen unter dem doppelten Druck eines Anwaltsschreibens und der drohenden Blamage vor Gericht zwar tatsächlich oft, aber das heißt nicht, dass sie in Zukunft pornographische Titel wieder legal erwerben. Die Anbieter kriegen auf diese Weise also kurzfristig mehr Geld in die Kasse, können ihren Absatz aber langfristig kaum steigern."

Jugendschutzbestimmungen erschweren das Online-Geschäft

Diejenigen Produzenten, die ihre Filme gleich selbst online anbieten möchten, sehen sich zudem mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert: Die Jugendschutzbestimmungen in Deutschland sind streng und erfordern insbesondere den Nachweis der Volljährigkeit des Kunden, meist durch ein elektronisches Verifikationsverfahren. "Hier gehört es zur Anwaltsarbeit, die Mandanten hinsichtlich der einschlägigen Bestimmungen zu beraten und zu klären, ob der Betrieb einer pornographischen Webseite aus Deutschland heraus für sie trotz der rigiden Vorschriften wirtschaftlich sinnvoll ist." Oft ist er das nicht, und so hat sich der unternehmerische Fokus über die Jahre verlagert: Ging es früher hauptsächlich um Filme, boomt heute eher das Geschäft mit Sex-Spielzeug aller Art. Und auch dabei ist häufig rechtlicher Rat gefragt: Neben den klassischen Fragestellungen, die der Betrieb eines (Versand-) Handels immer mit sich bringt, muss z.B. darauf geachtet werden, dass die Produkte keine verbotenen Inhaltsstoffe enthalten und sicherheitskonform sind.

Ein Beruf wie jeder andere?

Die Probleme, denen Juristen in diesem Metier begegnen, sind also durchaus zahlreich und interessant – doch wie kommt man überhaupt dazu, sich gerade die Erotikbranche als Tätigkeitsfeld auszusuchen? "Bei mir war es so, dass ich den ehemaligen Geschäftsführer des Bundesverbandes Erotikhandel persönlich kannte und nach dessen Ausscheiden das Angebot erhielt, die Stelle zu übernehmen. Ich würde schätzen, dass es noch ca. 20 bis 30 weitere Anwälte gibt, die in dem Gewerbe ihren Schwerpunkt haben – die meisten davon finden die Arbeit einfach spannend und haben hier eine Nische gefunden, in der sie sich wohlfühlen", erklärt Kaltenberg. Dass es nicht mehr als 20 bis 30 sind, mag womöglich auch daran liegen, dass Berufen, die sich auf die eine oder andere Art der Kommerzialisierung von Sexualität widmen, ein gewisses Stigma anhaftet – gerade auch in der recht konservativen Anwaltsszene.  "Ich finde aber nicht, dass man sich davon abschrecken lassen sollte", meint Kaltenberg. "Unsere Gesellschaft ist ja zum Glück hinreichend modern und aufgeklärt, dass die meisten Leute an so etwas keinen Anstoß mehr nehmen – und auf die Sympathie derer, die es doch tun, kann man meist ganz gut verzichten. Ich denke auch nicht, dass man sich damit in beruflicher Hinsicht etwas verbaut; als Anwalt wird man schließlich nicht vor der Kamera tätig, sondern hinter den Kulissen. Und da geht es in der Erotikbranche letztlich um nichts anderes als in jeder anderen Industrie auch: innerhalb der geltenden Gesetze ein gutes Geschäft zu machen."

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