Der BGH hat am Donnerstag den seit über vier Jahren anhängigen Rechtsstreit zwischen den Interessenverbänden der Zeitungs- und Anzeigenblattverlegern einerseits und der Deutschen Post AG andererseits entschieden. Sieger ist die Deutsche Post AG. Vorerst. Wettbewerbsrechtlich mag damit das letzte Wort gesprochen sein. Ob auch verfassungsrechtlich, fragt Markus Ruttig.
Stein des Anstoßes für die klagenden Zeitungsmacher ist die Postille "Einkauf Aktuell", ein Reklameblatt mit TV-Programm und Werbebeilagen, das die Deutsche Post über ihre Zusteller vor allem in Ballungsgebieten und Großstädten verteilen lässt: Seit Oktober 2010 enthält das in zeitloser Plastikumhüllung verpackte, samstags erscheinende Blatt außerdem einen redaktionellen Teil. Der Vorwurf der Verleger: Die Programmillustrierte sei als staatliches Presseprodukt anzusehen, weil größter Einzelaktionär der Post die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sei und diese zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern gehöre. Die Pressefreiheit verbiete jedoch eine staatlich gelenkte Presse.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieser Auffassung der Kläger jetzt eine Absage erteilt und in einer Presseerklärung verlautbart, dass die Verteilung der Werbesendung "Einkauf Aktuell" durch die Deutsche Post AG nicht deshalb wettbewerbsrechtlich zu beanstanden sei, weil sie redaktionelle Beiträge enthält (Urt. v. 15.12.2011, Az. I ZR 129/10). Die Vorinstanzen sahen das im Ergebnis genau so.
Auf die genaue Begründung der Entscheidung darf man gespannt sein. Schon die bislang bekannt gewordenen Entscheidungsgründe bergen verfassungsrechtlichen Sprengstoff, wenn es heißt, dass die Deutsche Post AG nicht Adressatin des aus der Pressefreiheit abgeleiteten Gebots der Staatsferne der Presse sei, weil sie von Bund und den Ländern nicht beherrscht werde. Der BGH erkennt dabei an, dass sich der Staat weder selbst noch über von ihm beherrschte Gesellschaften als Presseunternehmen betätigen dürfe. Die durch die KfW vermittelte staatliche Beteiligung von 30,5 Prozent reiche aber nach Auffassung des BGH für eine solche Beherrschung nicht aus. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Relevanz erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich Karlsruhe noch einmal mit der Angelegenheit befassen wird. Dann aber in Gestalt des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).
Bereits die Zuständigkeit der Zivilgerichte ist zweifelhaft
Doch auch rein wettbewerbsrechtlich ist das Urteil des BGH bedeutsam: Es stellt sich die Frage, ob der Marktzutritt der Post überhaupt mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts verhindert werden kann. Das Oberlandesgericht Hamburg als Vorinstanz hatte dies verneint und den geltend gemachten Anspruch aus dem Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerg (UWG) abgewiesen. Das grundgesetzlich verankerte Gebot der Staatsferne der Presse ist nicht als Marktverhaltensregelung im Sinne der Vorschrift anzusehen, urteilten die Hamburger Richter Mitte vergangenen Jahres (Urt. v. 09.062010, Az. 5 U 259/08).
Man könnte aber auch noch einen Schritt weiter gehen und bereits die Zuständigkeit der Zivilgerichte in dieser Sache verneinen. Denn grundsätzlich gilt, dass diese nur das Marktverhalten der öffentlichen Hand prüfen, also das "Wie". Dagegen ist es den Zivilgerichten verwehrt, auch Fragen des Marktzutritts, mithin das "Ob", zu überprüfen. Das Wettbewerbsrecht regelt nicht den Zugang zum Wettbewerb, sondern nur die Art und Weise der Beteiligung an selbigem.
Die Folge wäre, dass den Klägern selbst dann nicht unmittelbar geholfen wäre, wenn das BVerfG anders entschiede als der BGH und die Postille "Einkauf Aktuell" als zu staatsnah einstufte. Wettbewerbsrechtlich könnte der Weg über § 4 Nr. 11 UWG damit immer noch verschlossen sein, so dass womöglich nur der Marsch durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit bliebe. Zurück auf Los also?
Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln.
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Markus Ruttig, Weg frei für "Einkauf Aktuell" : . In: Legal Tribune Online, 17.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5127 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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