Die kleinen Parteien fordern, das Weisungsrecht der Justizminister gegenüber Staatsanwälten abzuschaffen. Ein Anliegen, das auch der DRB unterstützt, während die großen Parteien schweigen. Schließlich zeigt nicht nur der Fall Mollath, dass Politiker mit Weisungen an die Ankläger öffentlichkeitswirksam punkten können.
Die Staatsanwaltschaft soll die "neutralste Behörde der Welt" sein. Tatsächlich sind ihre Mitarbeiter noch nicht einmal unabhängig. Nach § 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes obliegt die Letztaufsicht über die Arbeit der Staatsanwälte den Justizministerien – auch im Einzelfall.
FDP, Grüne, Linke und Piraten wollen das ändern. Sie sprechen sich dafür aus, das Weisungsrecht der Justizminister abzuschaffen. "Zur Stärkung der Selbstverwaltung der Justiz ist das externe Weisungsrecht der Landesjustizverwaltung gegenüber den Staatsanwaltschaften abzuschaffen, um jeden Anschein einer politischen Beeinflussung der Justiz vorzubeugen", so etwa die FDP.
Die Grünen sind der Ansicht, das Weisungsrecht verstoße gegen die Gleichheit vor dem Gesetz. Die Linke argumentiert, die Stärkung des Rechtsstaats mache die Abschaffung notwendig.
Im Fall Mollath stieß Merks Weisung auf Zustimmung
Bereits 2004 legte der Deutsche Richterbund (DRB), der auch die Staatsanwälte vertritt, einen Gesetzentwurf vor, mit dem das Amtsrecht der Staatsanwälte reformiert und unter anderem das Weisungsrecht im Einzelfall abgeschafft werden sollte. "Wir waren bereits für die aktuelle Legislaturperiode optimistisch, dass unsere Forderung umgesetzt werden würde", sagt der Vorsitzende des Berufsverbands Christoph Frank, der selbst Oberstaatsanwalt ist. Aber daraus ist nichts geworden.
In den 1970ern gab es bereits einmal einen Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium, auch dieser verschwand in der Schublade. 2009 mahnte die Parlamentarische Versammlung des Europarates an, Deutschland sollte das Weisungsrecht in Einzelfällen abschaffen. Berichterstatterin war damals Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Frank sieht das Problem am ehesten bei den Landesjustizministern. "Wenn man aus Sicht der Bevölkerung auf der richtigen Seite steht, kann ein Politiker mit einer Weisung ja durchaus auch punkten." Das zeige das Beispiel der Justizministerin Beate Merk in Bayern. Erst kürzlich habe sie der Staatsanwaltschaft die Weisung erteilt, im Fall Mollath einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen. Der Bevölkerung habe das gefallen.
Tatsächlich kämen Weisungen selten vor, so Frank. An der Praxis würde sich daher nicht viel ändern, wenn die kleinen Parteien ihre Forderung umsetzen könnten. Und eigentlich betonten auch die Justizminister immer wieder, dass sie ohnehin keine Weisungen erteilten. "Dann könnten sie aber auch einfach den nächsten Schritt gehen und das Weisungsrecht abschaffen", meint der DRB-Vorsitzende. Die möglicherweise bevorstehende Einführung einer – weisungsfreien – Europäischen Staatsanwaltschaft, sei eine gute Gelegenheit dafür. Im Übrigen fordere die EU von Beitrittskandidaten, dass sie ihre Staatsanwaltschaften weisungsfrei organisierten.
Staatsanwaltschaft ist keine klassische Verwaltungsbehörde
Allein die Möglichkeit einer Weisung diskreditiere die Arbeit der Staatsanwaltschaften und schaffe den bösen Anschein, die Politik nehme Einfluss auf die Justiz "Das untergräbt das Vertrauen in die Unvoreingenommenheit und Unabhängigkeit der Strafrechtspflege. Es kann ja niemand wissen, was intern gelaufen ist." Frank selbst hatte im vergangenen Jahr ein Verfahren eingestellt, in dem es um Ermittlungen gegen Ärzte der Freiburger Uniklinik wegen Doping ging. Bei der Pressekonferenz sei dann die Frage aufgekommen, ob er das Verfahren auf politische Weisung hin eingestellt habe. "Das möchte ich weder mit ja noch mit nein beantworten müssen."
In einer klassischen Verwaltungsbehörde muss es für jeden Beamten eine ununterbrochene Weisungskette bis zum Parlament geben, damit sein Handeln demokratisch legitimiert ist. Die Justiz hat insoweit gegenüber der klassischen Verwaltung eine Sonderrolle inne. Anders als die Stellung der Richter ist die der Staatsanwälte allerdings nicht im Grundgesetz definiert.
"Die Staatsanwaltschaften sind ein Zwitter", beschreibt es der Vorsitzende des DRB. "Auf der einen Seite sind sie streng hierarchisch strukturiert wie eine klassische Verwaltungsbehörde, auf der anderen Seite sind sie besondere, durch Gesetz geschaffene Organe, die organisatorisch aus der Verwaltung herausgelöst sind. Der Staatsanwalt verantwortet seine Tätigkeit nicht politisch, sondern allein in der Bindung an Recht und Gesetz."
Fallgruppenbezogene Weisungen soll es weiter geben
Das könne zu Konflikten führen, wenn es unterschiedliche Einschätzungen der tatsächlichen oder rechtlichen Lage oder der Rechtsfolgen gebe. Obwohl selbstverständlich auch der weisungsbefugte Justizminister an Recht und Gesetz gebunden ist. Interne Weisungen hält Frank zur Kontrolle einzelner Staatsanwälte für ausreichend.
Fallgruppenbezogene Weisungen seitens der Ministerien an die Staatsanwaltschaften wollen die Grünen und die Piraten weiter zulassen. Dafür plädiert auch der DRB. Allgemeine Richtlinien für häufig vorkommende Delikte seien notwendig, um eine Gleichbehandlung der Beschuldigten sicherzustellen, so der Vorsitzende des Berufsverbands.
Eine weitere Forderung des DRB zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwälte hat der Gesetzgeber bereits umgesetzt. Bei den Staatsanwaltschaften der Länder gibt es seit 2010 keine politischen Beamten mehr. Vielleicht werden die Entwicklungen auf europäischer Ebene auch zur Abschaffung des Weisungsrechts führen. Allerdings setzen sich nur die kleinen Parteien überhaupt mit diesem Anliegen in ihren Wahlprogrammen auseinander. CDU und SPD äußern sich zu dem Thema nicht.
Wahlprogramme – Teil 1: Mietdeckelung und Maklerkosten
Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 2: . In: Legal Tribune Online, 27.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9226 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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