Europa taucht nicht nur wegen der Finanzkrise in den Wahlprogrammen auf. Vor allem SPD und FDP bemühen sich um Vorschläge, wie die EU demokratischer gestaltet werden könnte. Unter den Ideen: ein Initiativrecht für das Parlament, ein Kommissionspräsident, der als Spitzenkandidat auftritt, und unionsweite Listen bei der Europawahl.
Die FDP will das Europaparlament "zu einem Vollparlament mit gleichberechtigtem Initiativrecht in der Gesetzgebung" ausbauen. Ein ähnlicher Vorschlag ist nicht etwa beim aktuellen Koalitionspartner in der schwarz-gelben Bundesregierung zu lesen – die CDU wie die Linken scheinen keine konkreten Visionen über die Fortentwicklung der europäischen Institutionen zu haben –, sondern bei der SPD, den Grünen und den Piraten.
Bisher gilt das Parlament zwar gemeinsam mit dem Ministerrat als der Gesetzgeber der EU. Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren können beide Institutionen gemäß Art. 294 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) Rechtsvorschriften aber nur aufgrund von Vorschlägen der Kommission erlassen, die grundsätzlich das alleinige Initiativrecht hat. Parlament und Ministerrat können die Kommission lediglich zu einer Initiative auffordern.
Der Juraprofessor Martin Nettesheim aus Tübingen hält ein Initiativrecht für das Europaparlament zwar nicht für schlecht, glaubt aber, das es eher von beschränktem Nutzen wäre: "Bisher hat sich das Parlament nicht unbedingt durch eine politische Profilierung ausgezeichnet, sondern eher durch saubere technokratische Arbeit. Es gibt nicht wirklich programmatische Vorstöße aus Straßburg, etwa zu Themen wie der Eurokrise oder der Bankenunion."
Der Europarechtler ist deshalb skeptisch, ob das Parlament wirklich reif ist, ein Initiativrecht auch wahrzunehmen. "Bisher setzt es seine Kräfte falsch ein – es konzentriert sich zu sehr auf das Klein-Klein, die Optimierung des bereits Optimalen."
Ein Kommissionspräsident, der als Spitzenkandidat antritt
SPD und Grüne wollen außerdem nur noch einen Kommissionspräsidenten mittragen, der zuvor als Spitzenkandidat bei der Europawahl sein politisches Programm zur Wahl gestellt hat. Derzeit wird der Kommissionspräsident vom Europäischen Rat, also den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, vorgeschlagen. Anschließend muss das Parlament zustimmen.
Nettesheim findet den Vorschlag von SPD und Grünen sinnvoll. Wenn der Kommissionspräsident als Spitzenkandidat bei den Europawahlen aufträte, würde das den politischen Prozess auf europäischer Ebene personalisieren – eine Entwicklung, die auf nationaler Ebene bereits Alltag sei. "Warum sollte das auf europäischer Ebene anders sein?"
Mit der Idee sind die Oppositionsparteien nicht allein. In einem Entschließungsantrag zur Wahl 2014 fordert das Europäische Parlament die europäischen Fraktionen bereits auf, Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten zu nominieren, die im Wahlkampf eine dominierende Rolle spielen sollen. Es sei äußerst wichtig für die Legitimität von Parlament und Kommission, dass deren Wahl jeweils unmittelbar mit der Entscheidung der Wähler verknüpft sei.
Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 3: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9277 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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