Als am 21. Juni 1948 die Deutsche Mark zum gesetzlichen Zahlungsmittel wurde, verloren die Inhaber alter Guthaben ihr Vermögen weitgehend. Es folgten bemerkenswerte Bemühungen, dies später wieder aufzufangen.
Es ist eine unscheinbar wirkende Entscheidung, hinter der sich aber eine längere Geschichte verbirgt: Mit Beschluss vom 23. August 1960 machte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) den Hoffnungen eines Ehepaars ein Ende, noch etwas Geld von zwei historisch verblühten Sparbüchern der Frau zu bekommen (Az. III C 17.60).
Auf den ersten Blick mag an dem Beschluss nur auffallen, dass sich die Ehefrau nicht professionell, sondern von ihrem Gatten hatte vertreten lassen, der ihr das Schreiben, mit dem er die Revision begehrte, noch nicht einmal zur Unterschrift vorlegte – ein Vorgang, der heute mit anwaltlichem Augenrollen nicht unter fünf Minuten und Margarete-Stokowski-Kolumnen nicht unter fünf Jahren bestraft würde, und zwar völlig zu Recht.
Was war hier der Fall? Die Gattin hatte am 4. Januar 1940 zwei Sparkonten angelegt, auf denen sich am 20. Juni 1948 ein Betrag von insgesamt 8.439 Reichsmark befand.
Mit der Währungsumstellung von Reichsmark auf Deutsche Mark zum 21. Juni 1948 waren je 1.000 Reichsmark (RM) Sparguthaben regelmäßig nur 65 Deutsche Mark (DM) gutgeschrieben worden, weshalb der Gesetzgeber fünf Jahre nach der DM-Einführung mit dem "Gesetz zur Milderung von Härten der Währungsreform (Altsparergesetz)" vom 14. Juli 1953 einen weiteren Entschädigungsanspruch unter anderem für Sparguthaben einführte.
Nach § 2 Abs. 1 Altsparergesetz musste ein Guthaben jedoch bereits "bei Beginn des 1. Januar 1940" bestanden haben, um von dieser Regelung zu profitieren: Die Frau hatte ihre Sparbücher also vier Tage zu spät angelegt.
Trotz der formalen Unzulässigkeit der Revision – der Mann, die Unterschrift – gab das BVerwG noch einen freundlichen Hinweis: Für den Fall, dass das Guthaben maximal sechs Monate vor dem 1. Januar 1940 auf einem anderen Sparbuch gelegen hätte, wäre eine Entschädigung möglich gewesen. So viel Service musste wohl sein, denn die Gesetzgebung war etwas undurchsichtig gewesen.
Langer Weg zur Entschädigung von Altsparerinnen und -sparern
Dass eine vom Gatten unglücklich vertretene Frau heute vor 60 Jahren wegen einer Stichtagsregelung rund 800 DM verlor, ist an sich gewiss kein Anlass fürs historische Kalenderblatt – selbst im Jahr 1960 war dies kaum mehr als der Gegenwert von zwei bis drei Monatsgehältern.
Doch verbirgt sich dahinter ein kleines Kapitel Geld- und Gesetzgebungsgeschichte, das eher wenig bekannt sein dürfte – trotz der hohen Bedeutung, die dem Gegenstand von den seinerzeit wichtigsten Politikern der Nation beigemessen wurde.
So hatte kein geringerer als Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) in seiner ersten Regierungserklärung vom 20. September 1949, also unmittelbar nach Antritt seines Amtes, vorsichtige Kritik an den auswärtigen Machthabern geäußert, die für die radikale Reduzierung deutscher Sparguthaben verantwortlich gewesen waren:
"Die von den Alliierten erlassene Währungsreform enthält vermeidbare soziale Härten, insbesondere in der Behandlung der Altsparer aller Art. Die Frage, in welchem Umfange diese Mängel beseitigt werden können, bedarf einer beschleunigten Prüfung und Erledigung."
Der Aufgabe einer "beschleunigten Prüfung und Erledigung" ging die konservativ-liberale Bundesregierung jedoch nur langsam nach. Zwar hatten die Abgeordneten des Zentrums – der alten katholischen Partei, die sich nach Einführung der Fünfprozentklausel seit 1953 im Wesentlichen in CDU und CSU verflüchtigen sollte – schon früh einen Gesetzentwurf zur Altsparer-Entschädigung vorgelegt.
Doch blieb die Frage, ob und wie die Anleger, deren Ansprüche bei der Währungsumstellung 1948 gekappt worden waren, entschädigt werden sollten, erst einmal im Gesetzgebungsverfahren stecken – nicht zuletzt, weil andere Anliegen des Lastenausgleichs bereits mit erheblichem Aufwand verbunden waren und in der damals noch pluralen konservativen Parteienlandschaft erhebliche Fliehkräfte auslösten.
Zwei Monate vor der Bundestagswahl 1953 trat das Altsparergesetz schließlich doch in Kraft – seine Unterschrift leistete Bundespräsident Theodor Heuss (1884–1963) während des Urlaubs an den Gestaden des Schwaltenweihers im Allgäu.
Anspruch zwischen zehn und 15 Prozent
Das Gesetz gab einen Entschädigungsanspruch zwischen zehn und 15 Prozent auf den zum Stichtag 1. Januar 1940 bestehenden Reichsmarkanspruch vor – differenziert danach, wie schlecht die Anleger 1948 bei der Währungsumstellung behandelt worden waren.
Im Fall von Sparguthaben hatte das Kreditinstitut den Anspruch der Gläubiger ohne Antrag zu klären, solange seine Grundlagen außer Zweifel standen. War er zweifelsfrei festgestellt, wuchs dem Institut ein Anspruch gleicher Höhe aus dem Lastenausgleich zu. Es stand der Bank oder Sparkasse zwar frei, dem Sparer auf diese neue Forderung zu leisten, war dazu aber – nach der ersten Fassung des Gesetzes – nicht verpflichtet. Vielmehr blieb der Entschädigungsanspruch zunächst stehen, verzinst zu vier Prozent per annum. Allerdings hatten die Verbände der Sparkassen und Volksbanken erklärt, auf die soziale Bedürftigkeit ihrer Kundschaft reagieren zu wollen.
Nicht nur Sparbuchinhaber wurden entschädigt. Auch wer sein Geld vor dem 1. Januar 1940 etwa in einem Bausparvertrag oder in Industrieobligationen angelegt hatte – beispielsweise der Aktien-Brauerei Ohligs (Solingen), der Daimler Benz AG (Stuttgart), der I.G. Farbenindustrie AG (Frankfurt/Main) oder der Theodor Goldschmidt AG (Essen) – erhielt einen entsprechenden Entschädigungsanspruch.
Sind Sparbuchinhaberinnen treu-dumme oder vorsorgende Wesen?
Die langsame Arbeit des Gesetzgebers, Höhe und Kassenwirksamkeit der Altsparer-Entschädigung zu regeln, hatte mehr als nur haushaltspolitische Gründe.
Eine wesentliche Größe lag natürlich im Streit um die Verwendung der Mittel aus dem Lastenausgleich, also der durch Gesetz vom 14. August 1952 eingeführten Abgabe auf Vermögenswerte, die Krieg und alliiertes Besatzungsregime unbeschadet überdauert hatten – die zwar über die Jahrzehnte kleinteilig zu leisten war, in der Summe jedoch eine beachtliche Belastung darstellte.
Doch war es auch die unverhoffte Duldsamkeit der Deutschen, die sich das Anlegen von Geld auf dem Sparbuch weder durch Krieg noch durch Währungsumstellungen abgewöhnen ließen – mit oder ohne Altsparer-Entschädigung.
Obwohl im Jahr 1945 sogar noch schätzungsweise 270.000 Sparer lebten, die bereits durch die Abwertung von Kriegsanleihen nach dem Ersten Weltkrieg und durch die künstliche Hyperinflation des Jahres 1923 um ihr Vermögen gebracht worden waren, ging nach 1948 das Sparen bald wieder los.
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hielt 1953 mokant fest: "Nachdem der westdeutsche Durchschnittsbürger mit einem ersten Sättigungsrülpser von dem nach jahrelangen Entbehrungen wieder ausreichend gedeckten Tisch aufgestanden war, führte ihn der erste Weg wieder zur Sparkasse: Erst kam das Fressen, aber dann kam auch die (Spar-) Moral wieder."
In dieser Liebe zum Sparbuch – trotz mehrfacher böser Einschnitte – wollte damals der Volkswirt Fritz Voigt (1910–1993) keine höhere ökonomische Rationalität seitens der Sparkassen-Kundschaft entdecken: "Die Haupttriebkraft möchte ich vielmehr in jenen irrationalen Momenten: Bildung eines aufwärtsgerichteten Lebenszieles, stetem Streben nach Steigerung des Lebensstandards und Vorsorge sehen. In der Familie scheint mir überdies bei der Entscheidung, inwieweit verbraucht oder gespart werden soll, die Frau oft die treibende Kraft zu sein."
Wenn heute oft das Klischee kolportiert wird, dass Ehefrauen bis in die 1970er Jahre systematisch von ihren Gatten am Betreten einer Bankfiliale gehindert worden seien – nicht nur Volkswirt Voigt war schon 1953 anderer Ansicht. Wie sehr Sparbücher Frauensache sind, wussten auch die Großmütter schon, jedenfalls in Arbeiter- oder Familien kleiner Angestellter.
Moralische Bedenken? – Fehlanzeige
Dass für die Guthaben, deren Verlust bei der Währungsumstellung des Jahres 1948 wenigstens teilweise kompensiert werden sollte, der Stichtag 1. Januar 1940 festgelegt wurde, beruhte – so erklärten die Abgeordneten im Bonner Bundestag – vor allem auf den Leistungsgrenzen des Lastenausgleichs.
Denn dass der NS-Gesetzgeber während des Kriegs mit sozial- und lohnpolitischen Wohltaten auch die Möglichkeit der "Volksgenossen" ausgeweitet hatte, Geld in Sparguthaben oder Industrieobligationen anzulegen, war den Abgeordneten wohl bewusst – auch wenn es bis Götz Alys Buch "Hitlers Volksstaat" (2005) weitgehend in Vergessenheit geriet, dass der deutsche Sozialstaat seine Wurzeln auch darin hatte, die "einfachen Leute" am Raubzug zulasten Europas und der jüdischen Landsleute teilhaben zu lassen.
Doch bedauerten die Abgeordneten 1953 nur, dass es zu teuer wäre, alle Altvermögen nachträglich in Deutsche Mark umzumünzen, der Stichtag 1. Januar 1940 sei eigentlich nur vertretbar, weil damit zuerst die sozial bedürftigen älteren Menschen in den Genuss einer Entschädigung kämen. Unmut wegen der Verluste an nach 1940 erworbenen Guthaben – Frucht seinerzeitigen Fleißes – äußerte der Abgeordnete Dr. Paul Bleiß (1904–1996), ein SPD-Mann, der vor 1945 selbst Führungsverantwortung in der Kriegswirtschaft getragen hatte.
Dass sich auf der Liste der Unternehmen, auf deren bis 1940 aufgelegte Obligationen Entschädigung aus dem Lastenausgleich geleistet wurde, neben vielen unverfänglichen Brauereien und Milcherzeugern etwa die mörderische I.G. Farben und andere Profiteure der "Zyklon B"-Herstellung fanden, war dem Bundestag kein Wort wert.
Ein Blick in die reiche Rechtsprechung wie in die programmatischen Äußerungen des Bundestags zeigt: Der Kampf darum, alte Ersparnisse in neue Deutsche Mark zu retten, wurde beinahe ein Volkssport – vielleicht ein Grund, den hohen Ton ein wenig zu dämpfen, mit dem heute in geschichtspolitischen Kontroversen moralisiert wird.
Währungsumstellung und Altsparer-Entschädigung: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42566 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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